Thorsten Schleif: Richter morden besser, Heyne Verlag, München 2022, 302 Seiten, €11,00, 978-3-453-42616-0
„Nur weil ein untalentierter Rechtsanwalt, der in der Politik Karriere als Justizminister gemacht hatte, einem alten Freund noch einen Gefallen schuldete, sollten wir einen rücksichtslosen und brutalen Verbrecher laufen lassen, der mindestens fünf Menschenleben auf dem Gewissen hatte?“
Keine Frage, nach der Lektüre dieses Krimis, den ein Mann vom Fach, selbst Richter, geschrieben hat, verlieren die Lesenden jeglichen Glauben an unser Rechtssystem, bei dem immer nur der Weg des geringsten Widerstandes von Interesse ist. Mag alles Fiktion sein, so fließen doch Erfahrungen eines Richters mit der Polizei, der Staatsanwaltschaft und Anwälten in die Handlung ein. Wie kann es sein, dass wirklich zwei kleine Mädchen durch zwei Raser in der Stadt zu Tode kommen und die Täter mit einer Bewährungsstrafe aus dem Gerichtsgebäude spazieren. An diesem Urteil muss der Vater eines achtjährigen Mädchens zutiefst verzweifeln und ins Bodenlose abrutschen. Dass dieser Friedrich Diepenberg, genannt Fredi, immer wieder als Junkie für die Winterzeit wegen Diebstahls eingebuchtet wird, und außerdem freundlich zu seinen Richtern ist, verwundert etwas. Wer hat hier ein schlechtes Gewissen? Der Amtsrichter Sigurd Buckmann ist Fredi auch noch zu Dank verpflichtet, denn dieser hat seiner Tochter wirklich in einer brenzligen Situation mit ihrem brutalen, drogenabhängigen und verschuldeten Freund geholfen. Doch nun ist Fredi an gestreckten Drogen verstorben und Buckmann trauert. Hinter Fredis viel zu frühem Tod steckt eine Bande von Drogenhändlern, dessen Chef gerade mal für zehn Jahre in den Knast eingefahren ist. Für Özman Yildiz ist klar, dass ein Verräter hinter seiner Verhaftung steckt.
Mit Mafiamethoden und brutalster Gewalt herrscht nun Ercan Ayaz über das Drogenkartell. Er war es auch, der am Steuer saß als Fredis Tochter starb. Amtsrichter Siggi Buckmann sinnt nun doch auf Rache, denn mittlerweile machen die Kriminellen auch nicht mehr Halt vor seiner Familie.
In einem leicht ironischen Erzählton berichtet Thorsten Schleif von den Seilschaften unter den Rechtssprechern, ihren Stärken und Schwächen, aber auch von der schlechten Ausstattung der Gerichte. Erläutert wird, wie schwer es gerade auch den polizeilichen Ermittlern fällt, die Hintermänner und wahren Drahtzieher in der Drogenszene zu verhaften.
Etwas klischeehaft ist allerdings, dass der neue Referendar Hamid Bahar aus dem gleichen Wohnviertel stammt wie der Drogenboss. Man kennt sich in der türkischen Community, soll das wohl heißen, denn auch Buckmann ist in der Stadt keine unbekannte Größe. Als dann jedoch die Vorgesetzten aus der gleichen Partei wie der Justizminister nicht gerade subtil die Ermittlungen gegen Ercan Ayaz stoppen, stellt sich nur Buckmann quer. Er hat nicht die Absicht Karriere zu machen und somit kann ihm niemand Vorschriften machen. Als dann aber noch Buckmanns Tochter ins Visier der Kriminellen gerät, Ayaz‘ Freundin, die gegen ihn aussagen wollte, spurlos verschwindet und das Verfahren gegen ihn eingestellt werden soll, muss Buckmann endlich für Gerechtigkeit sorgen und den perfekten Mord planen. Immerhin, er ist ja vom Fach.
Mit Nonchalance, Humor, sprachlicher Finesse, aber auch innerer Wut und Respekt vor dem Amt und nicht den Vorgesetzten arbeitet sich Sigurd Buckmann durch diesen Fall, der am Ende mit einem Mord in mittelbarer Täterschaft endet. Doch wer sucht schon den Mörder hinter dem Mörder? Da Buckmann den Laden seit Jahren kennt, weiß er genau, wie er handeln muss, um straffrei davon zu kommen. Sicher hat sich der Autor mit Richtern, Staatsanwälten und Kriminalbeamten fachlich ausgetauscht.
In einem Interview sagte er:
„Sie waren sich in einem Punkt einig: Diesen Mord würde man niemals aufklären können. Es ist ein sogenannter perfekter Mord.“