Tess Gerritsen: Die Sommergäste, Deutsch von Andreas Jäger, Limes Verlag, München 2025, 416 Seiten, €24,00, 978-3-8090-2780-5
„Doch ein scharfer Verstand war entscheidend für das, was sie machten, was sie waren, und der Gedanke, dass sie die Kenntnisse und Fähigkeiten, die sie in langen Jahren perfektioniert hatten, einbüßen könnten, war wie ein Vorgeschmack auf den Tod.“
Wie auch bereits in Vorgängerbänden der amerikanischen Autorin Tess Gerritsen spielen die ehemaligen, pensionierten Geheimdienstoffiziere der CIA, Maggie Bird, Rose Declan, Ben Diamond und Ingrid Slocum, die sich im fiktiven Städtchen Purity in Maine zum Martini-Club zusammengeschlossen haben, eine wichtige Rolle. Als vier Musketiere sehen sie sich als wichtige Unterstützer der derzeitigen stellvertretenden Polizeichefin Jo Theodeau, die darüber gar nicht erfreut ist. Als jedoch die fünfzehnjährige Zoe Conover plötzlich aus dem Sommerhaus Moonview verschwindet, wird jede Hilfe benötigt. Die gut betuchte Familie Conover wohnt nur in den Sommermonaten am Maiden Pond. Das Oberhaupt George ist gestorben und die Söhne Colin und Ethan sind nun mit ihren Familien aus Boston zur Beerdigung angereist. Die unnahbare Mutter Elizabeth verlässt sich nur auf ihren ältesten, beruflich erfolgreichen Sohn Colin; der sensible Ethan ist nach Jahren zum ersten Mal wieder in Purity. Susan, Ethans Frau, spürt, dass die abgehobenen Conovers nach außen hin als intakte Familie gesehen werden könnten, nach innen jedoch kaum Harmonie herrscht. Seltsam wirkt auf Susan, dass Colins siebzehnjähriger, sehr verschlossener Sohn Kit wie ein sechsjähriges Kind an seiner attraktiven Mutter Brooke hängt. Zoe, die lebensfrohe Stieftochter Ethans, hingegen freut sich sehr auf die Gelegenheit, im See zu tauchen. Sie ahnt nicht, dass ihre Leidenschaft fürs Apnoetauchen ihr zum Verhängnis wird. Klar ist, Zoe muss zuletzt im Wasser gewesen sein, denn das Kleid, das sie an dem Tag ihres Verschwindens getragen hat, liegt in der Wäsche. Polizeichefin Jo Theodeau befragt sofort Reuben Tarkin, den griesgrämigen Nachbarn, der mit seiner behinderten Schwester ohne einer Arbeit nachzugehen, gegenüber vom Conover Anwesen in einem recht verfallenen Haus wohnt. Schon ewig sind die Familien im heftigen Streit, wobei alles auf ein tragisches Geschehen zurückgeht. Tarkins Vater Sam hatte im Juli des Jahres 1972 aus unerklärlichen Gründen mit seinem Auto vier Menschen auf der Straße totgefahren und den hinzueilenden Police Officer Randy Pelletier erschossen. Doch Tarkin hat ein Alibi. Als dann Zoes Rucksack gefunden wird und weit entfernt auf einem Laster ihr Handy müssen die vier renitenten Senioren endlich eingreifen und durchsetzen, dass der See durchkämmt werden muss. Und die Polizei findet ein Frauenskelett. Doch was hat dieser Knochenfund mit dem Verschwinden des Mädchens zu tun? Und was verbergen die Sommergäste, zu denen neben der Familie Conover noch Hannah Greene und Arthur Fox gehören?
Als Zoe dann nach sechs Tagen schwerverletzt in einer Schlucht, in die sie brutal gestoßen wurde, gefunden wird, bangen alle um ihr Leben. Der Martini – Club beginnt mit seinen Recherchen und stößt auf ein ungeheures Geheimnis und ein Forschungsprojekt im Kalten Krieg, dass jedoch einstigen CIA-Mitarbeitern nicht fremd ist. Und die Vier werden herausfinden, welcher Mensch vor gut fünf Jahrzehnten sterben musste und was dies mit Zoes Verschwinden zu tun hatte.
Wie immer fesselt Tess Gerritsen Lesende vom ersten Moment an, denn sie schreibt unterhaltsam und ihre Plots, die Gewalt nur beinhalten, wenn es unumgänglich ist, wirken nie konstruiert oder gar unglaubwürdig. Jos Verärgerung über die penetranten Aktivitäten ihrer vier in die Jahre gekommenen Gegenspieler, immerhin sind sie körperlich nicht mehr so fit, dafür aber schneller im Kombinieren, verraucht im Laufe der Handlung und sorgt für eine gewisse Komik.
Ein spannender Roman über Gefühlskälte, Schuld, Schweigen und Familiengeheimnisse!