Sven Stricker: Sörensen macht Urlaub, Rowohlt Taschenbuch Verlag, Hamburg 2024, 572 Seiten, €14,00, 978-3-499-01396-6

„’Ich habe dir eine einfache Frage gestellt‘, sagte Nele, ‚Aber so ist das bei dir: Man fragt dich, ob du den Müll rausbringst, und du antwortest mit einem Aufsatz darüber, was überhaupt Müll ist und ob man den braucht, und drehst dich dabei so lange um die eigene Achse, bis der Müll entweder vor Langeweile kompostiert ist oder man ihn selbst herausgebracht hat. Ganz schön geschickt eigentlich.‘
‚Gibt halt keine einfachen Antworten, Nele. Kann ich ja nix für. Vielleicht ist das aber auch sowieso eine blöde Kategorie, also, Normalität.’“

Sörensen, der Mann ohne Vornamen, den es nun endgültig nach Katenbüll in Nordfriesland verschlagen hat, wird sich nicht ändern. Alles muss gedanklich sortiert und dann beim Ausgesprechen hin- und hergedreht werden. Und das ist nicht nur für seine Ex-Freundin, sie waren ja nie verheiratet, haben aber ein Kind namens Lotta, einfach nur nervig. Auch die Lesenden haben, wenn sie die Sörensen – Krimis mögen, immer ein hartes Stück Arbeit vor sich. Aber der trockene Humor des Autors und all die wirklich ambivalenten Figuren entschädigen alle Mühen.
Sörensen jedenfalls zieht es in seinem Urlaub im November in die Berge Österreichs. Dass er dort nie ankommen wird, ist eigentlich von Anfang an klar. Wer macht schon im nasskalten November mit seinem Hund und Mengen an Hundefutter Urlaub? Aber KHK Sörensen will es sich und vor allem KOK Jennifer Holstenbeck beweisen, dass er vierzehn Tage entspannen kann. Allerdings kommt er nur bis Hamburg, denn Nele hat ihn doch gebeten auf dem Weg in den Süden mal bei ihr in Hamburg vorbeizuschauen, um Achim kennenzulernen.
Kaum ist der Kriminalhauptkommissar außerhalb von Katenbüll geschieht der erste Mord und wie dieser passiert, wissen die Lesenden vor der Polizei. Sie erleben Siemen Niehus, einen jungen Studenten, der den Deal seines Lebens abschließen will. Doch alles endet in der Katastrophe.
Jennifer, die mit Sörensen Kurznachrichten austauscht, tut so, als sei alles in Ordnung. Doch den Fall des toten Siemen wird nicht sie aufklären, diese Aufgabe übernimmt die Vertretung von Sörensen, ein gewisser KHK Marius Mommsen aus Flensburg.

„Jennifer sah in seine kalten Augen und bemerkte, dass es nicht Antipathie war, die sie ihm entgegenbrachte. Es war spontaner, unangenehmer, vielleicht auch irgendwie unangebrachter Hass.
Der Typ war ein Idiot. Ein Idiot in der Verpackung eines Märchenprinzen.“

Muss sich Jennifer schon mit dem eigenartigen, auch von Angststörungen geplagten Sörensen, den sie ja auch zeitweilig mag, herumschlagen, so ist Mommsen in seiner Selbstverliebtheit und Arroganz unerträglich. Die Polizeiarbeit beginnt und zeitgleich lernt Sörensen besagten Achim Lange kennen, der eigentlich Aileen heißt und eine attraktive Frau ist. Doch Achim, von Beruf Sozialarbeiterin und neu in Hamburg, scheint ebenfalls unter einer psychischen Störung zu leiden.
Geplagt von Verfolgungsängsten und einem ausgeprägten Misstrauen tyrannisiert sie ihre gesamte Umwelt. Seltsamerweise hatte Nele Achim in Katenbüll kennengelernt und da Achim eine Arbeit an einer Hamburger Schule gefunden hatte, bot Nele ihr ein Zimmer in ihrer Remise an, so lange sie keine Wohnung gefunden hat. Nele hofft nun, dass Sörensen einen angeblichen Stalker von Achim mit seinem Polizeiausweis Angst einjagen wird und alles beruhigt sich ein bisschen.
Auch wenn Sörensen ständig betont, wie wichtig ihm sein Urlaub ist, trifft er den angeblichen Stalker, einen eigentlich sympathischen Lehrer mit einem Haus voller Kinder. Achims Wahnvorstellung jedoch, dass ein Mann in einem Kapuzenpulli sie permanent verfolgt, kann Sörensen nicht stoppen. Und dann wird Achim im Ohlsdorfer Friedhof mit einem Messer in der Hand gefunden. Neben ihr liegt ein toter Mann in einem Kapuzenpulli.
Auch Jennifer und Mommsen lernen langsam das schwierige Leben des Mordopfers kennen, das mit seiner mürrischen Mutter, Sabine Niehus, mehr als nur Probleme hatte. Als diese auf jemanden schießt, der versucht in ihre Wohnung einzudringen, verlieren auch die Ermittler ihre Geduld mit der trauernden Mutter.
Wie dann jedoch der Fall Achim Lange und der Fall Siemen Niehus plötzlich zusammengehen, liest sich wirklich spannend, zumal ja nun Sörensen zugeben muss, dass er in all seinen Kurznachrichten an Jennifer gelogen hat.

Interessant ist, dass die Lesenden nicht nur den „verbalen Irreführungen“ Sörensens folgen dürfen, sondern auch aus der Sicht einzelner Figuren, deren ganz eigene Gedanken zum Geschehenen vermittelt bekommen.
Sörensens enervierende Art und seinen Humor muss man mögen, ansonsten sollte man sich die Fortsetzungskrimis nicht antun.
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