Susanne Mischke: Wehe, du irrst dich, Piper Verlag, München 2025, 328 Seiten, €17,00, 978-3-492-06514-6

„Menschen sind schon eigenartige Geschöpfe, erkennt Völxen wieder einmal, und Täter sind keine Monster, sie sind wie wir. Das ist das Erschreckende.“

Nicht weit vom Rotlichtviertel Hannovers befindet sich der Barbarshop Clooney, der allseits beliebt ist. Sogar Hauptkommissar Erwin Raukel, der gern dem Alkohol zuspricht und auch sonst nicht gerade der beliebteste Kollege ist, wird dort Stammgast geführt. Doch dann findet Mitten im März angeblich Adenike Ebidon, eine schillernde Lebensberaterin aus Benin, die schon lang in Deutschland lebt, den ermordeten Inhaber des Barbarshops, Moussa Abou. Seine Familie stammt aus Marokko, lebt allerdings ebenfalls lang in Berlin-Neukölln und führt auch dort einen Barbarshop.
Wer diese Krimireihe von Susanne Mischke kennt, immerhin liegt nun Band 14 vor, ist mit dem Personal der Ermittelnden des Kommissariats vertraut. Der dienstälteste Hauptkommissar Bodo Völxen hat es bei diesem Mordfall nun mit einem illustren Personal zu tun. Da Fernando Rodriguez in Elternzeit geht, tritt für sechs Monate seine ehrgeizige Ehefrau, Jule Wedekin, vom LKA seine Stelle an, was Erwin Raukel, der auch sprachlich absichtlich oder unabsichtlich ab und zu in Fettnäpfchen tritt, kaum gefallen kann. Das Opfer jedenfalls wurde gegen Mitternacht mit einem Pokal erschlagen und danach schnitt der Täter oder die Täterin ihm die Kehle auf. Moussa Abou hat in Hannover als Barbier einen guten Ruf und seiner Angestellten haben hat keine Ahnung, wer ihm schaden wollte. Je mehr jedoch die Ermittler in Abous Leben nachforschen, um so mehr Verdachtsmomente ergeben sich. So trauert Abous einzige Angestellt, Nicole Flöck, mehr um den Toten als seine deutsche Ehefrau Marie. Auch die Eltern von Marie, die sich sehr um den dreijährigen Sohn von Marie und Moussa kümmern, haben wenig Mitleid mit ihrem nicht gerade geliebten Schwiegersohn, der offenbar ein Verhältnis mit Nicole vor einem Jahr hatte und auch illegalen Geschäften im Rotlichtviertel nachging. Richtig traurig scheinen nur seine Brüder Nabil und Said zu sein. Auch wenn sich Moussa von seinem ältester Bruder Nabil abnabeln wollte, hoffte dieser, dass Moussa wieder nach Berlin zurückkehren würde, was dem schwulen Said nicht gefallen kann. Außerdem schuldete Moussa Nabil Geld. Doch ob dies ein Motiv sein könnte, den eigenen Bruder zu ermorden? Es dauert ziemlich lang, ehe die Ermittler, eine brauchbare Spur finden. Als dann auch noch der Staatssekretär Hanno Rodinger, der offenbar ein Verhältnis mit Marie hat, verletzt an der Leine gefunden wird und eindeutig ein Tötungsversuch festgestellt wird, nimmt die Handlung Fahrt auf.
Wie immer dreht sich bei Susanne Mischke alles um den Fall und die Verdächtigen, aber auch um die privaten Angelegenheiten der einzelnen Ermittler. Völxen sehnt sich, in der von seiner Frau angesetzten Fastenzeit, nach einem richtigen Kaffee und fleischhaltiger Nahrung, Oberkommissar Joris Tadden hat ein eher nur sexuell unverbindliches Verhältnis mit seiner Kollegin Elena Rifkin, die nun verärgert registriert, dass sie doch eifersüchtig auf Taddens zurückkehrende Freundin Kathrin ist. Und Raukel sucht ständig nach Streit mit Jule, die sich eigentlich auf ihrer alten Arbeitsstelle sehr gut fühlt und erstaunt ist, wie umsichtig und fürsorglich ihr Ehemann sich um die Kinder kümmert.
Natürlich bieten sich für diese Handlung viele wirklichkeitsnahe Tatsachen an, die in der Gesellschaft bekannt sind. Zum einen ist da die Clankriminalität, die oftmals Großfamilien gerade in Neukölln zugerechnet wird, der schwierige Umgang mit Homosexualität in der muslimischen Gesellschaft und die Generation der Großeltern, die Einfluss nehmen wollen auf die Entwicklung der Kinder und Enkel.
Wie immer unterhaltsam geschrieben, erzählt Susanne Mischke realistisch und überzeugend.
Warum der Titel des Romans jedoch „Wehe, du irrst dich“ lautet und warum das Buchcover mit Waldmotiv und einsamer Hütte überhaupt nicht zur Handlung passt, bleibt wohl ein Geheimnis der Autorin und des Verlages.
Weitere Romane der Reihe sind auch in diesem Literaturblog zu finden.