Eric Berg: So bitter die Rache, Limes in der Verlagsgruppe Random House, München 2018, 416 Seiten, €15,00, 978-3-8090-2660-0

„Sie kann ihre Beunruhigung nicht in Worte fassen. Es ist mehr die Summe der offenen Fragen und Merkwürdigkeiten, die sie zunehmend nervöser macht, die Nachbarn, die sich abschotten, der eskalierende Streit mit anderen Bewohnern der Anlage, die Diebstähle, Rubens Panik, und das alles vor dem Hintergrund, dass Ellen in einem Haus lebt, in dem ein unaufgeklärtes Verbrechen stattgefunden hat, umgeben von Menschen, die damals schon in der Anlage lebten.“

Der Autor Eric Berg nähert sich in diesem absolut spannenden Krimi ohne Kriminalkommissare, die üblichen Verdächtigen, obligatorische Fragen nach Alibis oder Gesprächen mit Pathologen zeitversetzt einem Verbrechen von ganz unterschiedlichen Seiten. Der Tatort des Geschehens ist ein Haus im noblen Heiligendamm an der Ostsee, eine einst bewachte Wohnsiedlung namens Vineta, die vom sogenannten Erbauer, Gernot Kessler, finanziert wurde. Im Juli 2010 kauften hier Familien mit ziemlichen Problemen Häuser. Niemandem war das bewusst, niemand ahnte auch, dass Kessler den Wohltäter spielen wollte und zugleich den Voyeur, der alles beobachten kann. Im Mai 2016 zieht nun die weltgewandte Ellen mit ihrem Sohn Tristan in genau dieses Haus ein, in dem drei Menschen einst auf brutale Weise getötet wurden. Ellen hofft auf ein neues Leben, getrennt von ihrem Mann. Ihr vierzehnjähriger Sohn freundet sich mit dem leicht debilen jungen Nachbarn Ruben an. Ellen wiederum beginnt eine Affäre mit dem Betreuer von Ruben Sven. In die Idylle am Meer jedoch schleichen sich unangenehme Begegnungen. Da wütet eine laute, unverschämte Jugendgang im Nebenhaus, die sich von der Bewohnerin, einer alten Frau nichts sagen lässt, und aus Ellens Haus verschwinden Gegenstände. Ellen wird langsam neugierig und beginnt mit eigenen Recherchen. Verdächtigt wurde damals ein gewisser Paul Derfflinger, ein Staatsanwalt a.D., der allerdings vor wenigen Wochen verstorben ist. Bis zur letzte Sekunde leugnete er die Morde.

Im Juli 2010 zog Paul Derfflinger mit seiner jungen schwangeren Frau Julia ins Haus und sofort kam es zu Streitereien mit Bewohnern der Siedlung und Verleumdungen. So hatte sich Kessler sein Projekt nicht vorgestellt.

Und dann führt der Autor Eric Berg seinen Leser auch noch in die Berge Albaniens. Malush, der sich als Akrobat mit seiner behinderten Schwester im deutschen Zirkus verdingt hat, bringt der Mutter mit der Schwester zusammen eine Geldsumme. Als er das Kind seiner Schwester sieht, ahnt er, wer der Vater des Jungen sein muss. Die Familie von Malush hat sich mit einer weiteren albanischen Familie überworfen und Malushs Vater ist dem Rachefeldzug zum Opfer gefallen. Niemand ahnt, dass nun Malush Blutrache geschworen hat und sich nach Heiligendamm begibt. Dort war er mit Kesslers Sohn und Ruben befreundet.

Nach und nach setzt Eric Berg ohne Klischees oder falsche Rücksichtnahmen ein Bild von den Personen, ihren Erwartungen, Hoffnungen und Träumen, zusammen, die in der Siedlung Vineta gelebt haben und noch wohnen. Ellen rekonstruiert die Geschehnisse, die Konflikte und den Untergang von Kesslers Idee einer friedlichen Vineta-Familie. Wer einst ermordet wurde, bleibt über eine lange Strecke ein Geheimnis. Warum dies alles geschehen konnte, liest sich atemberaubend und spannend bis zur letzten Seite