Sharon Penman: Thronräuber (Die Plantagenet-Saga 1), Aus dem Englischen von Julian Haefs, Heyne Verlag, München 2025, 784 Seiten, €25,00, 978-3-453-27526-3
„Sie würde nicht zulassen, dass Geoffrey ihr die Söhne stahl, wie Stephen ihr die Krone gestohlen hatte. Verflucht sollten seine giftige Zunge, die verdammte Zielgenauigkeit dieses Schützen und Roberts Verrat sein, verflucht alle Männer, die ihre Hunde besser behandelten als ihre Frauen!“
Die Handlung taucht mitten ins 12. Jahrhundert ein und kreist zum einen um südenglisches wie zum zum anderen um normannisch – französisches Gebiet. Zeitversetzt zu Beginn in größeren Sprüngen begleiten die Lesenden einzelne historische Figuren, deren Machtkämpfe um den Thron in langen brutalen Schlachten ausarten. Die Adligen ziehen um 1101 in die Kreuzzüge und der fünfjährige Stephen, Graf von Blois, gewinnt beim Belauschen der Eltern einen ersten Eindruck von Fragen der Ehre und Männlichkeit. Das Kind mit dem feinen Charakter verliert den Vater früh und ahnt nicht, dass er im Jahre 1135 sich zum König von England krönen lassen wird. Allerdings hatte sein Onkel, König Henry I., nicht ihn zum Nachfolger erkoren, sondern, und das ist für die Zeit eine Sensation, seine selbstbewusste, wie kämpferische Tochter Maude. Ungeachtet ihrer eindringlichen Bitten verheiratet er sein Kind mit dem brutalen wie charakterlosen Geoffrey von Anjou. Maude jedoch ist nicht gewillt, sich ihrem tyrannischen Ehemann unterzuordnen, was zu heftigen körperlichen Übergriffen führt. Trotz aller ihren Stolz verletzenden Handlungen, immerhin war sie vor dieser Ehe mit dem deutschen Kaiser verheiratet, muss sie bei Geoffrey bleiben und ihm und ihrem Vater Erben gebären. Als der König dann stirbt, ist Maude, nachdem sie zwei gesunde Söhne geboren hat, erneut schwanger. Nun müsste sie handeln, um die Adligen hinter sich zu bringen, doch Stephen Theobald Henry, ihr Cousin ist schneller, verweigert ihr das Geburtsrecht, auch weil sie eine Frau ist, und erobert das Vertrauen des Adels und die englische Krone. Sogar Maudes Bruder, Robert von Gloucester, stellt sich auf Stephens Seite aus Angst, eigene Ländereien bei Widerstand zu verlieren. Allerdings entscheidet sich Robert 1138 dazu, auch durch Fürsprache seiner Frau Amabel, Maude zu unterstützen. Denn nun beginnen die Kämpfe um die Gebiete und die mögliche Aufteilung, bei denen der so vom Glück verfolgte Stephen Rückschläge, auch durch den Verrat der flämischen Söldner, einstecken muss.
Über fast 800 Seiten zieht sich dieses historisch belegte Geschichtspanorama, das anschaulich von Machtinstinkten, heftigen Schlachten, Rachegelüsten und Frauen- wie Männerschicksalen erzählt. Hervorragend konstruiert, fast wie bei einem Kammerspiel bei einem doch umfangreichen Personal, besitzt Sharon Penman die großartige Fähigkeit, imposante Bilder in die Köpfe ihrer Lesenden zu zaubern. Und sie legt ihren Figuren unverstaubt die richtigen Worte in den Mund.
Fasziniert von dieser mittelalterlichen Welt der Herrschenden, in der eine hohe Kindersterblichkeit vorherrschte und adlige Frauen, die die Geburten überstanden hatten, immer auf einen Erben hoffen mussten, um ihr eigenes Leben zu schützen, umkreist die amerikanische Autorin den Kampf um den englischen Thron, der historisch belegt einer Frau zusteht.
Im November 2025 erscheint der zweite Teil „Thronerbe“.