Johanna Trollope: Schwiegertöchter, Aus dem Englischen von Angelika Kaps, Bloomsbury Verlag, Berlin 2011, 350 Seiten €19,90, 978-3-8270-1022-3

„Der Trick beim elterlichen Umgang mit ihren erwachsenen Kindern bestand darin, den Mund zu halten. Jedenfalls, wenn man wollte, dass sie einem etwas erzählen.“

Wie weit hat man noch Einfluss auf die Entscheidungen seiner erwachsenen Söhne? Erst recht, wenn sie bereits Familie haben? Rachel Bringley, leidenschaftliche Mutter und Hausfrau, schafft es nicht, ihre drei Söhne ins Leben zu entlassen und sich eigene Aufgaben zu suchen. Und auch Anthony, ihr Mann, verweigert jegliche Einflussnahme auf seine Frau, die in ihrem Enthusiasmus nicht zu bremsen ist. Luke, der jüngste Sohn, und Charlotte mit der zauberhaften Figur sind nun verheiratet und somit alle Söhne unter der Haube. Edward lebt mit seiner schwedischen Frau Sigrid in London, Ralph mit Petra in der Nähe von Ralphs Eltern, die in Suffolk ein Haus besitzen. Rachels Reich ist die Küche, ihr Zuhause. Hierher sollen die Familien ihrer Söhne und natürlich ihre drei Enkelkinder immer wieder zurückkehren, damit sie sie umsorgen kann. Auch Luke und Charlotte leben und arbeiten in London.
Die verwöhnte Charlotte ist die erste Schwiegertochter, die sich dem Rundum-Wohlfühl-Wochenende bei der Schwiegermutter verweigert. Sigrids Leben ist mit Tochter und einer interessanten Arbeit ausgefüllt. Sie hat, auch wenn Edwards Familie sie manchmal nervt, nie einen Streit deswegen ausgelöst und ihren Mann vor die Alternative wir oder die Schwiegereltern gestellt. Aber es brodelt und kleine Eifersüchteleien beeinflussen die guten Kontakte. Ralph und Petra sind die Sorgenkinder Rachels, denn sie halten sich an keine Konventionen. Sie sind, und das soll alles erklären, kompliziert. Ralph mag dies zelebrieren, jedoch als Vater zweier kleiner Söhne, steht er nun vor dem Aus seiner beruflichen Selbstständigkeit. Petra ist die schweigsame, undurchschaubare, aber fügsame „Ersatz“-Tochter von Rachel, denn sie hat keine eigene Familie und ist in allem offensichtlich hilflos. Kennengelernt haben sich Ralph und Petra durch Anthony, denn er hat Petras Begabung als begabte Zeichnerin erkannt.
Als Ralph jedoch eine Arbeit in London durch die Vermittlung seines Bruder annimmt, verweigert Petra jegliche Kooperation und befreundet sich mit Steve, den sie im Vogelreservat kennengelernt hat. Charlotte setzt ihren Kopf durch und beordert die Familie in ihre kleine Londoner Wohnung, auch um ihnen eine Neuigkeit mitzuteilen. Sie ist, auch wenn es ein bisschen früh ist, schwanger. Rachel hat nichts Besseres zu tun, als die neue Schwiegertochter und ihren Sohn für die Unachtsamkeit zu kritisieren.
Der Eklat ist da und nach und nach scheint die Familien als Hort der Geborgenheit auseinanderzubrechen.
Joanna Trollopes Familienromane lesen sich fantastisch, denn kaum hat der Leser eine Seite aufgeschlagen, schon befindet er sich glaubhaft in einer ihm so scheinbar vertrauten und doch neuen Welt voller spannender, wie unterhaltsamer Konflikte. Trollopes Figuren sind wirklichkeitsnah gezeichnet und die anstehenden Differenzen dem Leben abgelauscht. Nichts wirkt bei dieser britischen Autorin trivial, sie lotet ihr Thema Familie leichthändig und doch mit Tiefe aus. Mögen sich alle Schwiegertöchter auf ihre Weise den Ehemännern und der sich unkontrolliert verhaltenden Schwiegermutter entziehen, das Leben geht weiter und nicht eine Tür wird zugeschlagen. Denn sicher ist es keine Lösung, den Telefonhörer nicht mehr abzunehmen, wenn Rachel anruft.