Satu Rämö: Hildur – Der Schatten des Nordlichts, Aus dem Finnischen von Gabriele Schrey-Vasara, Heyne Verlag, München 2024, 400 Seiten, €16.00, 978-3-453-42819-5
„Lächeln warf er einen Blick auf den Menschen an seiner Seite. Er war unbeschreiblich glücklich. Er hielt die tollste Frau der ganzen Stadt an der Hand und fühlte sich unschlagbar.“
Die Weihnachtszeit naht und die eigenwillige Ermittlerin Hildur Rúnarsdóttir, die im isländischen Ísafjörður lebt, kann dieses für sie bisher so unbedeutende Fest, dieses Mal mit ihrer endlich gefundenen Schwester Björk feiern. Zu gern würde Hildur mit Björk auch über die zweite Schwester Rósa reden, aber das scheint irgendwie nicht möglich zu sein. Was die beiden Frauen als Kinder erlebt haben, muss schrecklich gewesen sein.
Ärgerlich findet Hildur, dass Jónas, ein ehemaliger, wirklich fieser Kollege, nun ihr Chef ist und auch der von Jakob Johanson, dem Finnen, der so gerne strickt. Mittlerweile verstehen sich Hildur und Jakob ausgezeichnet, nur Jónas würde gern einen Keil zwischen beide treiben. Jakob soll von den Ermittlungen ausgeschlossen werden, als ein nackter Toter in einem Netz in einer Lachsfischzucht gefunden wird. Offenbar hat der tote, sehr junge Slowene, Luka Kopitar, Drogen von Kopenhagen nach Island in seinem Körper geschmuggelt. Ist er an den geplatzten Päckchen im Magen verstorben? Doch was sollen die eingeschlagenen Eisenhaken in seinem Körper andeuten?
Parallel zum neuen Fall dreht sich in diesem Band alles um das Privatleben von Jakob, der verzweifelt um seinen Sohn Mathis kämpft. Ausführlich wird vom Kennenlernen und der Beziehung zwischen dem Finnen Jakob und der Norwegerin Lena berichtet. Dass Jakob aus seiner Kindheit ein grausames Geheimnis mit sich trägt, bleibt noch unausgesprochen. Lenas Eifersucht jedenfalls dominiert die Ehe. Glücklich mit beider Sohn hätte alles gut werden können, hätte Jakob ziemlich feige nicht seine einstige Beziehung mit Regina verschwiegen. Lena verlässt Jakob und unterbindet mit allen Mitteln, den Kontakt zwischen Vater und Sohn. Als Lena dann mit ihrem neuen Freund, der beruflich im finnischen Bergbau arbeitet, nach Lappland zieht, strebt Jakob einen neuen Sorgerechtsstreit an und hofft auf eine Besserung der Beziehung zu seinem Sohn.
Inzwischen häufen sich in Island die hinterhältigen Überfälle auf Menschen, die in irgendeiner Weise mit Tierschutzaktionen in Verbindung gebracht werden können. Auch Luka, der auf einem Bauernhof arbeitete, hatte sich für den Tierschutz eingesetzt. Die Journalistin Hlín Jónsdóttier,die über den Umgang mit trächtigen Stuten recherchiert hatte, wird attackiert. Auch sie kannte Luka. In Island spielen Pferde in zweierlei Hinsicht eine Rolle, als Zucht, um Touristen anzulocken oder als Fleischlieferant. Doch auch die Pharmaindustrie interessiert sich seit Neuestem für das Blut von trächtigen Stuten. Es wird ihnen abgezapft und teuer verkauft. Der brutale Umgang mit den Pferden, denen ihre Föten wieder entfernt werden, ist beispiellos.
Hildur gelangt zu immer neuen Erkenntnissen und dann muss sie nach Finnland fliegen, denn Jakob wird beschuldigt, dass er nach dem Prozess angeblich Lena und ihren Freund Filip auf einem Parkplatz erschossen hat. Bis aufs Blut hatte Lena in ihrer manipulativen Art Jakob gepeinigt und er hatte sich provozieren lassen und ist in der Gerichtspause ihr gegenüber ausgerastet.
Alles Zeichen für die Polizei, dass Jakob Rache genommen hat. Doch Hildur wird im fremden Land, in dem sie natürlich nicht ermitteln darf, auf ganz andere Motive stoßen, die eher auf Filip und den Bergbau als auf Lena zielen.
In der Anhäufung der Fälle, auch die alte Chefin von Hildur, Beta, wird zur Aufklärung beitragen,
können die Lesenden schnell den Überblick verlieren. Allein Jakobs Geschichte hätte einen Roman füllen können.
Und doch, wie immer lesen sich die Hildur – Romane der finnischen Autorin Satu Rämö, die auf Island schon lange lebt, spannend und vor allem lebensnah. Durch die Einblicke in die Privatleben von Hildur und Jakob stehen nie nur die Polizeiarbeit im Vordergrund. Es menschelt und das macht neben der Schauplätzen, diesmal Island und Finnland, den Reiz beim Lesen aus.
Die zwei Vorgängerbände wurden ebenfalls auf dieser Website besprochen!