Virginia Bergin: Rain – Das tödliche Element, Aus dem Englischen von Rainer Schmidt, S.Fischer Verlag, KJB, Frankfurt a.M. 2015, 416 Seiten, €16,99, 978-3-7373-5155-3
\r\n„Ich meine, ich weiß nicht, ob ich aus einem Teich getrunken hätte, bevor alles vergiftet war, und jetzt würde ich es ganz sicher nicht tun, aber … das Wasser sah so kühl aus und funkelte so einladend, als könnte man einfach reinspringen. … Seht ihr, wie sehr diese Welt im Eimer ist? Wie Dinge, die so schön waren, abscheulich und kaputt sind? Blau schillernde Libellen tanzen über einem Todestümpel.“
Ein Leben ohne Wasser – für uns unvorstellbar, denn wie oft betätigt man am Tag ohne nachzudenken den Wasserhahn. Das bemerkt man erst, wenn das Wasser, aus welchen Gründen auch immer, abgestellt wird. Doch was geschieht, wenn die lebenswichtige Flüssigkeit plötzlich zum tödlichen Feind wird?
Wenn sich Ruby Morris erinnert, dann wünscht sie sich, dass sie wieder in der Küche in Dartbridge steht, sich mit ihrem Stiefvater Simon bis aufs Messer streitet und die Mutter hilflos versucht zu vermitteln.
Nichts ist mehr normal im Leben des Mädchens, denn sie ist allein, allein mit ihren Gedanken und Aufzeichnungen. Ihr Stiefvater, ihre Mutter und ihr Halbbruder Henry sind tot. Alle ihre Nachbarn und Freunde sind tot. Der Killerregen hat sie umgebracht, einfach so. Jede noch so winzige Berührung mit dem nassen Element ist unwiederbringlich tödlich. Auch wenn man die Leichen anfasst, ist man dem Tode, einem schrecklich blutigen Hinscheiden, indem sich die Haut vom Körper löst, geweiht. \r\nUnd bei dieser Katastrophe ist nicht der Mensch schuldig geworden, sondern ein Bakterium.
„Jeder wusste von dem Staub. Es war der Staub, der die Sonnenuntergänge verursachte, bei denen alle in Ooooh- oder Aaaa-Rufen ausbrachen.“
Dieses Bakterium wird zur Waffe, aber nur gegen Menschen, wenn es mit Wasser in Verbindung tritt. Aber nicht nur der Regen löst diese Wirkung aus, auch jeder, der das Leitungswasser getrunken hat, stirbt.
Ruby kann sich zu Beginn der Epidemie von einer Party nach Hause retten. Gerade hat sie Caspar McCloud geküsst und nun ist er tot. Jegliches öffentliches Leben ist lahmgelegt, kein Internet, kein Telefon, nur eine Dauersendung im Fernsehen warnt und bitte die Leute, ihre Häuser nicht verlassen. Mit ihrem Stiefvater Simon sucht Ruby verzweifelt nach Flüssigkeit für die Familie. Sie erleben wie ein Supermarkt geplündert wird und Menschen mit Gewehren um ihr Überleben kämpfen. Die Straßen sind überfüllt mit Leichen, die niemand anfassen darf. In Rubys Haus breitet sich ein süßlicher Geruch aus, der von den Leichen ihrer Mutter und ihres Halbbruders ausgehen. Ruby verliert den Stiefvater als sie in ein freistehendes Haus mit wohl ziemlich wohlhabenden Bewohnern hineingehen, um nach Vorräten zu suchen. Die Wasserflasche auf dem Tisch wird für Simon zum Verhängnis. Und dann taucht dieser Mann auf. Ruby flieht.
Das Mädchen sieht für sich nur noch eine Chance, sie muss zu ihrem Dad nach London gelangen. In ihrer Straße breitet sich nach tagelangen Alarmgeräuschen eine unheimliche Stille aus, die nur durch Vogelgezwitscher und Hundegebell unterbrochen wird. Als Ruby sich dazu entschließt mit dem Auto, sie hat nie am Steuer gesessen, nach London zu fahren, bringt sie es nicht übers Herz die Hunde dazulassen. Als einer jedoch aus einer Pfütze Wasser schlürft, ist klar, sie muss ihn zurücklassen.
Auf ihrem Weg trifft Ruby den größten Freak ihres Jahrgangs, Darius Spratt, der ein kleines stummes Mädchen an seiner Seite hat. Zusammen erreichen sie die ersten Sammelplätze der Armee. Durch Darius, den Ruby nach und nach schätzen lernt, fragt sie sich auch, warum ihr Vater und ihr zweiter Halbbruder Dan nicht nach ihr suchen. In der Wohnung des Vaters jedoch wird klar, er ist auf dem Weg zu ihr.
Virginia Bergin erzählt in ihrem ersten Roman für Jugendliche von einem Albtraum. Die englische Autorin entwirft ein beängstigendes Szenario, das die Fantasie des Lesers beim Umblättern der Seiten kaum stillstehen lässt. Wie existiert der Mensch ohne Wasser? Und wenn er mit Wasser in irgendeiner Form in Berührung kommt, sei es gefrorenes Wasser aus den Eisschränken im Supermarkt oder das abgestandene Blumenwasser, darf er es trinken oder nicht? Abgesehen von der Tatsache, dass kein Wasser zum Duschen oder gar Hände waschen zur Verfügung steht. Der Ausbruch von Krankheiten ist vorprogrammiert, sollten genug Menschen überhaupt überlebt haben. Und wie geht so ein Leben mit der Dauergefahr der lebensbedrohlichen Bazille weiter?
Rubys eigene Aufzeichnungen geben einen Eindruck davon, wie Menschen sich in lebensbedrohlichen Momenten verhalten, sich helfen oder einfach nur das eigene Leben schützen wollen. Der nervige Simon fordert Ruby auf, ständig zu denken, nicht unaufmerksam zu sein. Sie hat sich daran gehalten.
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