Luis Sellano: Portugiesische Wahrheit – Ein Lissabon – Krimi, Heyne Verlag, München 2020, 400 Seiten, €14,99, 978-3453-43923-8
„Er musste einfach mehr über das Wüstengebiet herausfinden. Ging es um Bodenschätze? Aber warum hatte EP dann nicht unverzüglich nach dem Kauf mit dem Schürfen begonnen? Um die Marokkaner nicht vorzuführen, die offenbar nicht wussten, dass sie ein wertvolles Stück Land verhökert hatten? Das ergab doch keinen Sinn.“
Vieles ergibt für Leser, die einfach so den Krimi von Luis Sellano ( Pseudonym für einen deutschen Autor ) kaufen, keinen Sinn, wenn sie mit dem Roman beginnen. Hätte man doch die Vorgängerbände lesen sollen? Nach und nach liefert Sellano die Zusatzinformationen, die allerdings für Eingeweihte langweilig sein könnten und einfach Lesezeit kosten. Ist es wirklich ratsam, einen oder auch mehrere Fälle über so viele Bände zu ziehen?
Henrik Falkner, der ehemalig Kriminalkommissar aus Deutschland, jedenfalls betreibt immer noch sein Antiquariat, dass er von seinem Onkel Martin mit dem „Archiv der Verfehlungen“ geerbt hat. Weiterhin forscht er nach ungelösten Fällen, deren Zugangsinformationen der Onkel im Buchladen versteckt hat. Da sind die wertvollen Kacheln, die Azulejos, auf deren Spuren sich Sellanos Hauptfigur begibt, aber auch der unaufgeklärte Mord am Onkel und seinem Lebensgefährten, dem berühmten Maler, Und da ist der ominöse Strippenzieher und Dämon Rafael de Braganca. Und natürlich darf man Henriks Leidenschaft für die Inspectora Helena Gomes nicht vergessen und den verschlagenen Lobo, der unbedingt Henriks Haus kaufen möchten.
Gleich zu Beginn erhält Henrik ein Skalpell zugesandt, das mit dem Tod des Oberstaatsanwalts Orlando Morgado zu tun hat.
Aber schnell wechselt der Schwerpunkt der Geschichte zu einem ganz anderen Fall. Henriks eiskalte Mutter ist in der Stadt und sie nächtigt natürlich nicht bei ihrem Sohn, sondern im besten Haus am Platze, im Hotel Oriente. Hier ist allerdings der Swimmingpool zum Ärger der Gäste gesperrt, da dort eine eingemauerte Leiche gefunden wurde. Es hält sich das Gerücht, dass vor 25 Jahre ein illegaler Bauarbeiter aus Marokko unter dem Pool verscharrt wurde.
Durch einen Hinweis auf einer Karte des Onkels mutmaßt Henrik, dass der Tote durchaus jemand anders sein könnte. Eigentlich wollte Henrik ja seine Mutter um einen Kredit für sein Antiquariat und das marode Haus des Onkels bitten, aber nun ist seine Neugier geweckt. Schnell wird klar, der Mord im Hotel muss damals mit einer Zusammenkunft im Hotel zu tun haben. Henrik schafft es auch ohne Polizeimarke einen Kellner auszufragen und er kommt wieder mit Helena zusammen, die an dem Fall arbeitet. Auch der Journalist Alves, der am liebsten ein Pastéis-Törtchen nach dem anderen in sich hineinschiebt, ahnt, dass hinter dieser Geschichte mehr stecken könnte als öffentlich behauptet wird. 1993 hatte sich ein Energiekonzern mit Vertretern der marokkanischen Regierung in Lissabon getroffen. Zum Glück kennt Henrik, trotz schlechter Portugiesischkenntnisse genug Leute, die er für seine Zwecke einspannen kann. So wohnt in seinem 200 Jahre alten Haus ein Jazzmusiker, der sich in der marokkanischen Szene in Portugals Hauptstadt auskennt. Dieser führt der Ermittler ohne Auftrag zu Said, der ihm brisante Informationen preisgibt.
Warum war dieses Land zwischen Marokko und der West-Sahara, um das es beim Treffen mit dem Energiekonzern geht, so wichtig? Geht es um Phosphatvorkommen oder vielleicht sogar um Grundwasser unter der Wüste? Und wie kann es sein, dass ausgerechnet Joao, der ehemalige Freund von Onkel Martin und Rafael de Branca, der Mann ohne Nabel, zumindest auf Joaos Bildern, in diese Geschichte verwickelt ist? Alle Bilder, die der Maler in der Wüste gemalt hatte, sind bei einem privaten Sammler verschwunden.
Mein Eindruck ist, dass diese Krimis immer mehr etwas für Insider werden, so wunderbar auch Lissabon mit all seinen Schätzen beschrieben wird.