Ninni Schulman: Das Paradies verrät man nicht, Schwedenkrimi, Aus dem Schwedischen von Susanne Dahlmann, Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2025, 430 Seiten, €18,00, 978-3-455-01773-1

„Es gibt auch gute Männer, dachte Ingrid, als sie Richtung Sollerön fuhr. Das durfte sie nicht vergessen. Zuverlässige, nette Männer, die weder lügen noch schlagen. Benny war so ein Mann.“

Um es gleich vorwegzunehmen, die Männer in diesem Roman betrügen Frauen auf unterschiedlichste Weise, lügen, planen Morde und trinken zu viel Alkohol. Nur Benny, der Ortspolizist, ist ein sympathischer Mann. Aber seit Ingrid Wolt, eine ehemalige Polizistin und einstige Freundin, in Mora aufgetaucht ist und auch noch seine Hilfe benötigt, zweifelt er immer mehr an seiner doch eigentlich harmonischen Beziehung zu seiner Freundin, die er heiraten wollte. Benny stellt Ingrid jedenfalls sein Sommerhaus im Wald zur Verfügung, denn sie muss sich vor ihrem brutalen Ex-Ehemann und ebenfalls Polizisten Kjell, den sie in Notwehr angeschossen hatte und dafür im Gefängnis saß, verstecken. Sie weiß, dass er auf Rache sinnt und sie weiß, dass er, der sich nie um die gemeinsame Tochter Anna gekümmert hat, nun ihre Nähe sucht. Ingrid arbeitet als Putzkraft im Hotel Mora, um arbeitsam und ohne Skandale in die schwedische Gesellschaft in den 1980er Jahren zurückzukehren und ihr Kind, dass bei einer Pflegefamilie lebt, irgendwann zurückzubekommen. Die Idee als Privatdetektivin ihr Brot zu verdienen, hat sie nach ihrem ersten erfolgreich abgeschlossenen Fall allerdings fallengelassen.
( Besprechung des ersten Bandes in diesem Literaturblog: http://karinhahnrezensionen.com/lese24/ninni-schulman-den-tod-belauscht-man-nicht/ )
Doch nun bitten die Eltern von Lena Hedström, dass Ingrid herausfindet, ob ihre Tochter wirklich Suizid in ihrem Haus begangen oder jemand sie ermordet hat.
Ninni Schulman erzählt zum einen aus der personalen Perspektive von Ingrid und zum anderen gewährt sie einen intimen Blick in die vergangenen acht Monate des einunddreißigjährigen Opfers Lena. Als Verkäuferin arbeitet sie im Coop im Ort, ist eine feinfühlige, hilfsbereite, eigentlich sehr vernünftige, aber einsame, wie verschwiegene Frau, die nach dem viel zu frühen Tod ihres Mannes und dem Kindstod ihres Babys in ihrem Häuschen auf dem Hof der Familie ihres Mannes lebt. Die angeheiratete Verwandtschaft zeigt wenig Interesse an der jungen Frau, die sich einfach nur Kinder und ein glückliches Leben wünscht. Per Annonce lernt sie nun den charmanten Steve Karlsson aus Stockholm kennen, der ihre Leidenschaft für schöne Literatur teilt und mit vielen sympathischen Worten, kleinen wie liebevollen Gesten ihr die Lust am Leben zurückgibt. Als er jedoch beginnt, sie in seine angeblich geschäftlichen Aktivitäten hineinzuziehen und sie immer mehr Geld von ihrem Sparbuch für ihn abhebt, ahnen die Lesenden wohin diese so scheinbar vollkommene Liebesbeziehung geführt haben könnte. Als Ingrid allerdings Kontakt zu Steve Karlsson, er einen ganz anderen Namen hat, aufnimmt, ahnt sie, dass er mittelbar nichts mit dem Tod der jungen Frau zu tun hat. Wie die naive Lena sich immer neue Argumente zurechtlegt, um Steves Handlungen zu rechtfertigen, schmerzt beim Lesen. Er bringt sie sogar dazu ihr Haus, ohne die Verwandten zu informieren, schätzen zu lassen. Auch Ingrid wird bei ihren Befragungen, insbesondere der kaltherzigen Verwandten, immer ungehaltener, zumal ihr auch heftigste Ablehnung, insbesondere von Lenas Schwager entgegenschlägt. Parallel zu Ingrids intensiven Ermittlungen wird immer deutlicher, dass Kjell Ingrid und Benny auf der Spur ist. Lenas Recherchen zum angeblichen Suizid von Lena überzeugen auch Benny, der mit seinem Kollegen zuerst bei Lena am Tatort war und dieses Bild der Erhängten kaum loswird.
Mag dieser Fall, bei dem das gute alte Telefon und das Briefeschreiben noch eine wichtige Rolle spielen, rund um Lena, die einfach nur einen Menschen an ihrer Seite haben wollte, dem sie vertrauen kann und Ingrid, die sich nach Normalität sowie ihrem Kind sehnt und Empathie für Lena hat, nicht der komplizierteste sein, so ist die Handlung mit allen Protagonisten doch psychologisch gut durchdacht und führt neben der spektakulären Aufklärung auch zu einem geschickt platzierten Cliffhanger, der neugierig auf den nächsten Band macht.
Lesenswert!