Leah Pitt: Das Haus am Strand, Aus dem Englischen von Michael Benthack, Goldmann Verlag, München 2025, 464 Seiten, €13,00, 978-3-442-49552-8
„Die Fotos. Nur sie sind dazu in der Lage, die vergangene Zeit wieder lebendig zu machen. Mit dem Fund hat alles begonnen – Fotos, die ein lange bewahrtes Geheimnis auf der Sandbank aufzudecken drohen. Es muss etwas geben, das ich übersehen habe.“
Im Debüt der englischen Autorin Leah Pitt, die als Rechtsanwältin arbeitet, dreht sich alles um den Tod der vierzehnjährigen Matilda Hall, die im August 1997 in Dorset an der Felsküste zu Tode kam. Die Polizei ging damals nach kurzen Ermittlungen von einem Unfall aus. Die seit Jahren miteinander gut bekannten Bewohner der Strandhütten jedoch mutmaßten, das ein Mord geschehen sei. Zumal nur wenige nach dem tragischen Ereignis je wieder zu den einfach gebauten Strandhütten, die damals wie heute heiß begehrt sind, zurückgekehrt sind. Doch wer sollte einem harmlosen Mädchen den Kopf einschlagen?
Zwanzig Jahre später kehrt nun erstmalig die beste Freundin von Matilda, Sophie Douglas, an die Küste zurück. Sie will im Auftrag ihrer Mutter, die in Spanien lebt, die Hütte verkaufen. Vor Ort nun trifft sie die Eltern von Matilda, Sheila und Gary, ihren Jugendschwarm Kit und Bekannte aus der damaligen Zeit wieder und sie findet beim Reinigen unter ihrer Hütte Matildas silberne Dose mit alten Polariod – Fotos, die sie sich mit Kid ansieht und nichts Bedeutendes finden kann.
Zeitversetzt lässt die Autorin nun aus der Ich – Perspektive Sophie, Sheila, die Mutter von Matilda, Chetana, die jüngere Freundin von Matilda, die sechzehnjährige Caitlin, die Sophie nie ausstehen konnte und am Ende sogar Matilda erzählen.
Die Rückkehr nach Dorset bedeutet für Sophie zum einen eine Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, zum anderen aber auch eine Flucht aus ihrem gegenwärtigen, arbeitsreichen Leben und ihren sie völlig aus der Bahn werfenden Panikattacken und sie muss sich damit abfinden, dass ihr Mann Nick sie verlassen wird. Als jemand dann Sophie die Dose mit den Fotos stiehlt, sie in der Dusche im Waschraum einschließt und offenbar nicht möchte, dass sie in der Vergangenheit herumstochert, wird deutlich, irgendetwas stimmt nicht. Außerdem erfährt Sophie, dass ihr vor zwei Jahren verstorbener Vater der leibliche Vater von Matilda ist.
In den Rückblenden wird deutlich, dass sich die pubertierende Sophie, deren Körper sich verändert hat und die nun endlich im Sommer etwas Spannendes erleben möchte, sich mehr zu den älteren Jugendlichen, die Alkohol trinken und die Mädchen abchecken, hingezogen fühlte. Die vernünftige Matilda freundete sich indessen mit der dreizehnjährigen, ziemlich einsamen Chetana an, was Sophie verärgerte. Hatten Matilda und Sophie einen heftigen Streit, so wollten sie sich doch wieder an der Felsspitze versöhnen. Doch dann wird Matilda tot aufgefunden.
Bei jedem Krimi stellt sich die Frage, wie Menschen mit einer schweren Schuld leben können, wenn andere bereits nicht mehr schlafen können, wenn sie einmal unaufmerksam eine rote Ampel überfahren und mit schlechtem Gewissen auf Post vom Polizeipräsidenten warten, die vielleicht nie kommen wird. Zwanzig Jahre etwas Ungeheuerliches verschweigen und verdrängen hinterlässt Spuren, das wird Sophie erkennen und sie wird sich unwissend in Gefahr begeben.
Von Anfang an liegt eine düstere, zwingende Spannung über dieser Geschichte und die Gefahr grollt unheilvoll im Hintergrund. Es ist vollkommen klar, dass Sophie mit ihren Anwesenheit alte Wunden aufreißt und den Täter oder die Täterin aus der Reserve holen wird.
Leah Pitt hat einen temporeichen, wie psychologisch spannenden Krimi geschrieben, der von Schuld, aber auch jugendlichem Leichtsinn erzählt, der jeder Generation ohne Gefahren zustehen sollte.