Jan Weiler: Kühn hat Ärger, Piper Verlag, München 2018, 394 Seiten, €20,00, 978-3-492-05757-8
„Kühn verstand in diesem Moment, was Amir Bilal unter diesen Menschen gefühlt haben musste, denn Amir war arm. Und dann plötzlich Teil dieses unfassbaren Wohlstands. Und am Ende tot.“
Sicher kann es nicht gut gehen, wenn ein jugendlicher Kleinkrimineller mit Migrationshintergrund sich in ein extrem wohlhabendes gleichaltriges Mädchen verliebt. Die Gegensätze zwischen Arm und Reich gerade in München schreien zum Himmel und die gesellschaftliche Distanz könnte sicher zum Problem werden, wenn Julia van Hauten nicht so sozial eingestellte Eltern hätte. Allerdings ist es leicht, sich einen ausgezeichneten und dazu noch super teuren Geschmack zu leisten, wenn mehr als genug Geld verfügbar ist und immer vorhanden sein wird. Immerhin vererben die Wohlhabenden ihr Vermögen an der Steuer vorbei, alles im legalen Rahmen, an die Kinder, da können diese noch nicht mal laufen. So erben die Kinder ihr Vermögen sozusagen im Schlaf, wogegen die Normalsterblichen ihr Geld erarbeiten und jährlich versteuern müssen.
Wie das funktioniert, diese Information lässt Jan Weiler seinem Kriminalkommissar Martin Kühn auf einem Brunch der Münchner Highsociety zukommen. Zu diesem Zeitpunkt ist der arme Amir schon längst tot. Brutal erschlagen wurde er wahrscheinlich von einer Gruppe von Tätern, davon erzählt sein geschundener und gefolterter Körper.
Das Thema Geld zieht sich durch diesen Roman, denn in einem zweiten Fall erpresst jemand den Supermarkt. Dass diese Person möglicherweise aus dem verseuchten Wohngebiet stammt, in dem auch Kühn und seine Familie lebt, scheint auf der Hand zu liegen. Ein Konflikt über die Altlasten zwischen den Einwohnern, Kreditgebern und der Baubehörde zieht sich nun seit dem ersten Band über Martin Kühn durch die Handlung. Klar ist, dass die Leute in der Siedlung auf einer Giftdeponie leben. Die Schadstoffe ziehen langsam in die Wände ein und drücken den Wert der Häuser. Die geprellten Bewohner der Weberhöhe, das Wohngebiet wurde nach einem mittlerweile nachgewiesen nicht gerade menschenfreundlichen Nazi benannt, wissen, dass ihre Häuser eigentlich abgerissen werden müssten. Aber die Bauträgerfirma weigert sich beharrlich, die Verantwortung und die Kosten für den Missstand zu übernehmen. Schuld an allem, sei das Wetter. Hätte es nicht geregnet, wären die Stoffe sicher nicht nach oben gespült worden. Wie Jan Weiler diese absurde Argumentationskette der Verantwortlichen dem Leser nahebringt, ist mehr als tragisch als tragisch komisch.
Martin Kühn jedenfalls steht gleich zu Beginn des Romans vor dem Spiegel in seinem Eigenheim ohne Wert und fragt sich wiedermal, wer er eigentlich ist. Nach seiner Zeit in der Reha wegen Burnouts soll er sich wieder in die Arbeit stürzen und scheint irgendwie doch mutlos. Immerhin traut er sich nicht zum Arzt und das mag intuitiv für Kühn auch einen Grund haben. Und doch, er hat nun zwei Fälle zu bearbeiten. Bei der Erpressungsgeschichte wird er als Bewohner der Weberhöhe mit hinzugezogen, denn der vergiftete Joghurt des Erpressers führte nun zum Tod des sechzehnjährigen Mädchens, das diesen aus Langeweile gegessen hatte.
Können die einen mit ihrem Geld gedanken- und verantwortungslos alle Probleme zukleistern, so sind die anderen bei der Finanzierung ihres kleinen Lebens sofort am Limit, wenn etwas Unvorhergesehenes eintritt.
Kühn agiert in diesem Roman auf verschiedenen Baustellen, beruflich dreht sich alles um die Morde an zwei Jugendlichen, privat glaubt er, von seiner Frau betrogen zu werden und unterstellt ihr sogar ein Verhältnis mit dem ortsansässigen Aufwiegler und Nazi Norbert Leitz.
Mit einem guten Augen für gesellschaftliche Diskurse, die gerade die Populisten auf den Plan rufen und aktuelle Konflikte erzählt Jan Weiler eine unterhaltsame Geschichte, die leicht ironisch gebrochen, nicht an Brisanz verliert. Die lapidare Floskel, Geld allein macht nicht glücklich, könnte hier als Motto über allem stehen.
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