Candace Bushnell: Is there still Sex in the City?, Aus dem Englischen von Jörn Ingwersen, Dumont Buchverlag, Köln 2020, 252 Seiten, €15,00, 978-3-8321-6538-3
„Unter all den Mikroaggressionen und größeren Herabsetzungen, die man im Laufe des Alterns erfahren muss, ist doch die schlimmste jene, wenn du bemerkst, dass du scheinbar diese Schwelle überschritten hast, die Schwelle von der Suche nach einer Beziehung zur Suche nach der genügsameren Variante – der Gesellschaft. Eine Beziehung impliziert eine dynamische Partnerschaft, in der man etwas Gemeinsames aufbaut. Gesellschaft impliziert das Gegenteil; Man leistet einander Gesellschaft und sitzt dabei eigentlich nur rum.“
An diesen Tiefpunkt jedoch ist die Ich-Erzählerin dieses Buches noch nicht angelangt. Sie findet kurz vor ihrem sechzigsten Geburtstag noch einen vorzeigbaren und vor allem patenten Mann ohne diese üblichen Ecken und Kanten der typischen leicht durchgedrehten New Yorker. Doch der Weg ist weit und beschwerlich.
Begeisterte die erste Staffel von „Sex and the City“ vor allem durch die kompromisslosen Diskussionsrunden der vier New Yorker Freundinnen über praktizierten Geschlechtsverkehr mit Männern, die die Frauen unverbindlich kennen lernen, so flauten wie so oft in Serien die Geschichten ins Belanglose ab. Und wenn Frauen in Betten mit Männern BHs tragen, ist sowieso die Sittenpolizei mit dabei und der Spaß vorbei.
Die Erfinderin der „Sex and the City“ Serien-Vorlage spielt nur erneut mit der allseits beliebten Sex-Karte, macht sich auch gut auf dem Cover. Allerdings wenden sich diese Geschichten von diesmal sechs Freundinnen in den Mittfünfzigern an ältere Semester.
Candace vermittelt den Eindruck als hätte sie sich selbst ins Buch geschrieben und wie Carrie Bradshaw hält sie die Fäden in der Hand. Zwar hat sie nach ihrer Scheidung wenig Lust auf die hektische Großstadt und doch zieht es sie immer wieder dort hin. Mit ihren Freundinnen, die ebenfalls nach Scheidungen mit und ohne Kinder mehr oder weniger komfortablen Häusern in den Hamptons gelandet sind, existiert wie immer ein reger Austausch.
Auf Anfrage von jungen Redakteurinnen wirft sich die Ich-Erzählerin in den Dschungel der Dating-Apps, erkundet Tinder und sogenannte Frischlinge, junge Männer die auf reife Frauen stehen, aber auch die alten, natürlich finanziell gut bestückten Männer. Sie schwingt sich aufs Rad, da sie von Männer nicht mehr in Bars angesprochen wird und diese eher beim Rennrad fahren kennenlernen könnte. Zu anstrengend. Die Vorstellung, unsichtbar zu sein, treibt sie, ohne finanziell bestens ausgestattet zu sein, in den Kosmetiksalon, der von einer allmächtigen Russin beherrscht wird, die das Leben ihrer Kundinnen komplett auf den Kopf stellt, wenn diese ihre Geldbörsen weit öffnen und alles genauestens nachmachen, was der Creme-Guru ihnen befiehlt.
Keine Frage, es ist eine unpolitische, absolut unrealistische Welt voller Luxusprobleme, die Candace Bushnell beschreibt. Hier gibt es keine trockenen Scheiden infolge der Wechseljahre, keine aufsteigende Hitze, keine Gewichtszunahme oder gar Frustration im Bett. Oberflächlich plätschern die Geschichten von den Schönen, Reichen und teils ziemlich Bekloppten dahin, in denen alleinstehende, reife Frauen pausenlos zu hippen Partys eingeladen werden, sich Männer greifen, damit sie ihren Kindern eine Ausbildung finanzieren können oder Frauen sich Brustimplantate einsetzen lassen, um ihre Attraktivität auf dem Heiratsmarkt zu stärken. In welchem Jahrhundert leben wir eigentlich? Wenn gut gepflegte Frauen nicht zehn oder gar fünfzehn Jahre jünger aussehen, selbst Schuld. Ach ja, und Frauen wünschen sich ja sowieso nur eins, laut Meinung der alten Männer: „teure Handtaschen!“???
Erschreckend wie so oft, sollte man irgendeine hier oder da gehörte Story ernst nehmen, ist die Egozentrik, die Selbstherrlichkeit und vor allem die Oberflächlichkeit der agierenden Zeitgenossen.
Wer will schon im IRL ( in real life ) leben, wenn er sich im Netz oder bei Tinter herumtreiben kann?
Und wenn dann mal ein wirklich interessanter Mann im gleichen Alter auftaucht, so kann es wenig Hoffnung für die Mittfünfzigerin geben:
„Und genau das ist das Problem mit dem einsamen Traumprinzen. So gut der Mann vom Alter her auch zur dir passen mag und so toll du vielleicht bist, hat er doch – schneller, als du dir die Haare föhnen kannst – nicht nur eine neue Beziehung, sondern gleich eine komplette neue Familie.“
Die Erkenntnis, dass Frauen mit Respekt behandelt werden möchten, da sie ja auch Menschen sind, ist nach all denn Metoo – Debatten eigentlich ein Hohn.
Ein wirklich überflüssiges, leider auch humorfreies Buch!