Véronique Olmi: In diesem Sommer, Aus dem Französischen von Claudia Steinitz, Antje Kunstmann Verlag, München 2012, 266 Seiten, €18,95, 978-3-88897-776-3

„ Und dann trafen sie sich alle am Strand wieder, als sei nichts geschehen, und wünschten sich, dass nichts mehr sie an ihr ausbalanciertes Leben und die Lügen erinnerte, die sie wie Rettungsdecken darüber gelegt hatten.“

Einer jahrelangen Tradition folgend treffen sich jedes Jahr am 14. Juli drei Paare in einem großen Haus am Meer in der Normandie. Delphine und Denis, die gutbetuchten Hauseigentümer, reisen von Paris an. Seit die beiden Kinder Jeanne und Alex aus dem Gröbsten raus sind, hat sich in ihrer Ehe ein Schweigen ausgebreitet und Untreue. Aber nicht der Mann sucht sich wie so oft in langjährigen bitteren Beziehungen eine jüngere Gespielin, es ist Delphine, die aus ihrem eintönigen Alltag und dem Gefühl der eigenen Nutzlosigkeit ausbricht. Beide sind froh, wenn sich zwischen sie und ihre schmerzliche Beziehung andere Menschen drängen, z.B. Nicola und Marie. Er ist ein zu Depressionen neigender Geschichtslehrer, sie eine 52-jährige Schauspielerin, der nur noch erbärmliche Großmutter-Rollen, wenn überhaupt, angeboten werden. Beide sind sich innig zugetan, hadern aber doch mit ihrer Zukunft.
Die lebensfrohe Journalistin Lola erscheint jedes Jahr mit einem neuen und immer um Weiten jüngeren Partner, diesmal mit Samuel. Der 12 Jahre jüngere Mann hat ernste Absichten, wenn es um Lola, die ihn bereits auf der Abschussliste zu stehen hat, geht. Alle stehen in der Mitte ihres Lebens und irgendwie an Scheidepunkten.

Mit einer nie erschöpfenden Energie kommt das Meer immer wieder an den Strand zurück. Keiner der Protagonisten bei Véronique Olmi findet diese Regelmäßigkeit und Sicherheit in seinem Leben. Und so vergehen die gemeinsamen Stunden mit langen Gesprächen, gemütlichen Essen, Strandaufenthalten und Verdächtigungen gegen Dimitri, einen jungen Mann, der sich offensichtlich an Delphines Tochter heranmachen will. Oder ist das nur eine Fantasie Delphines? Nach und nach offenbaren alle ihre Empfindungen, Geheimnisse und Sorgen.
Entscheidungen stehen an, die nach dem 14. Juli in die Realität umgesetzt werden oder in der Schwebe bleiben. Ein Heilungsprozess wäre nötig, der auch der erkrankten Kiefer, unter der sich alle bei großer Hitze scharen, zuteil werden sollte.

Véronique Olmi versetzt sich tief in die Seelenlagen ihrer Figuren, lässt sie zusammenfinden und schnell wieder auseinanderdriften.

Ein nachdenklich stimmender Roman, den man nicht nur ein Mal liest.