Adrienne Friedlaender: Ich habe jetzt genau das richtige Alter. Muss nur noch herauskriegen, wofür, Blanvalet in der Verlagsgruppe Random House, München 2019, 224 Seiten, €15,00, 978-3-7645-0684-1
„Was auf Partnerportalen fehlt? Meiner Ansicht nach Rezensionen von ‚Vornutzerinnen‘! So nach dem Motto: Norbert – ein Gewinn für alle, die auf lange Gespräche gut verzichten können und sich jemanden wünschen, der auch mal kräftig zupacken kann, der einem den Fußboden neu verlegt, die Heizungen entlüftet, Gartentor und Rasenmäher repariert. Bei mir war nach vierzehn Tagen mit Norbert die Wohnung tipptopp. Zu reden gab es dann aber leider nix mehr. Habe daher vom Rückgaberecht Gebrauch gemacht.’“
Salopp ist der Erzählton, den Adrienne Friedlaender gern anschlägt und nicht selten muss man lächeln, wenn man dem Rede- und Gedankenstrom der fünfundfünfzigjährigen Autorin folgt, der von der aktuellen Lebenssituation immer wieder in die Vergangenheit wechselt und dann wieder in der Gegenwart anlangt. Betrachtet man, das Cover des Buches, erschließt sich kaum, wohin die Reise gehen soll. Bekannt ist der Name Adrienne Friedlaender durch ihre wirklich erfrischenden, komischen wie lebensnahen Schilderungen über die recht spontane Aufnahme eines syrischen Flüchtlings geworden. In den noch etwas chaotischen Zeiten nach dem Angela Merkel Spruch „Wir schaffen das!“, hat die beherzte Autorin mit ihren drei Söhnen gleich mal einen geflüchteten jungen Mann aus einem Erstaufnahme mit nach Hause genommen und sich mit allen Konsequenzen um ihn gekümmert. Dieser freundete sich mit Friedlaenders hochbetagter Mutter an, die nie mit einem Ratschlag oder ihrer eigenwilligen Meinung hinter den Berg hält. Zu gern ist man der Autorin auf ihrer Odyssee durch die Ämter, aber auch allen positiven wie nachdenklichen Aspekten dieses „Abenteuers“ gefolgt.
Im neuen Buch öffnet die selbstbewusste, gern spontan handelnde Adrienne Friedlaender wieder die Tür ihres Hamburger Hauses, allerdings nur einen schmalen Spalt. Sicher ist es sehr persönlich, über sein eigenes Leben mit vier Söhnen, zwei Scheidungen und der Suche per digitalen Medien nach neuer Lebenspartnerschaft zu schreiben. Wie viel kann und will man offenbaren, wie offenherzig kann man wirklich über gescheiterte Ehen schreiben, wie viel über die eigenen Kinder oder gar enge Freundinnen. Das ist die Krux dieses Genres, alles bleibt einfach an der Oberfläche, auch wenn Adrienne Friedlaender sich professionelle Hilfe von einer Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeutin geholt hat und ihre Erfahrungen in den Text miteinfließen lässt. Natürlich beschreibt die Autorin den tiefen Fall in emotionale Löcher nach beiden Trennungen und natürlich versucht sie zu analysieren, warum sie nach zwei so glücklich beginnenden Ehen am Ende dann doch vor dem Scheidungsrichter steht. In die Tiefe jedoch kann sie nicht gehen, es werden eher weichgespülte Konflikte von gestern, in deren Verlauf man sich mit Trüffelschokolade beruhigt, beschrieben. Und um ehrlich zu sein, die Autorin schreibt einfach nicht wie Karl Ove Knausgård, was man natürlich gar nicht erwartet.
Im Erzählton bleibt es so eher locker leicht und optimistisch, zumal auch hier nur die positive Seite der schreibenden alleinerziehenden Mutter gestreift wird. Lachen ist die beste Medizin und mit Humor kann man sicher vieles leichter nehmen, auch wenn Frauen in ähnlichen Lebenssituationen wie Adrienne Friedlaender, und das liegt sicher nicht am Temperament oder ihren Fähigkeiten, keinen gut bezahlten interessanten Job haben, trotz entsprechender Netzwerke zu wenig Zeit für die Kinder und sicher nicht genug Geld, um sich unters Messer zu legen.
Klar ist, Adrienne Friedlaender will den Frauen Mut machen. Sie sollen sich nicht unsichtbar jenseits der fünfzig fühlen und getrost die Vorzüge der schnellen sozialen Medien in all ihren Spielarten nutzen. Zum Glück macht die Autorin den Leuten dann nicht weiß, wie freudvoll die Blind Dates verlaufen, ganz im Gegenteil. Irgendwie wünscht man ihr doch, dass sie einen passenden Partner dann eher beim Spaziergang mit Hund an der Elbe trifft.
Am eigenen Leben entlang schreiben hat so seine Tücken, auch wenn sich vielleicht Leserinnen mit der Autorin und ihrer nicht allzu neuen Lebensphilosophie identifizieren können. Und ihr Resümee:
„Ich lasse mir nicht mehr einreden, was ich in welchem Alter zu tun oder zu lassen habe. Was passt oder was nicht zu mir passt, werde ich selbst bestimmen.“
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