Penelope Bush: Ich bin’s, Alice!, Aus dem Englischen von Katrin Weingran, Boje Verlag, Köln 2012, 255 Seiten, €12,99, 978-3-414-82324-3

„ Ich werde Mum sagen, dass ich mich nicht besonders fühle, und ins Bett gehen und schlafen und wenn ich dann aufwache, wird dieser Albtraum vorüber sein.“

Könnte man den Verlauf seines Lebens beeinflussen, wenn man, beispielsweise ein Karussell besteigt und die Zeit um sieben Jahre zurückdreht? Neue Weichen zu stellen und die Wahrheit über eine Lebenslüge herauszufinden, ist etwas, was in der Fantasie stattfinden kann, aber nicht in der Wirklichkeit, oder?

Die 14-jährige Alice Watkins verliert sich gern in Tagträumen, denn sie hasst ihr Leben mit ihrer ständig überarbeiteten Mutter und ihrem siebenjährigen Bruder Rory, der ihr auf die Nerven geht und auf den sie ständig aufpassen muss. Sie verübelt ihrer Mutter, dass sie ihren Vater nach der Geburt ihres Bruders vor die Tür gesetzt hat und nun alleinerziehend mit wenig Geld in einer Bruchbude lebt. In der Schule wird Alice von Sasha gemobbt. Nur Imogen hält zu ihr. Sie bewundert ihre Freundin, die so selbstsicher ist und in einem kreativen Haushalt lebt, denn die Mutter ist Malerin. Doch wie gut kennt sie Imogen eigentlich und ist sie wirklich mit Imogen befreundet, wenn sie ihr nicht mal sagen kann, dass sie sich in Seth, Sashas Stiefbruder, verliebt hat?

Alice mag ihren leichtlebigen Vater trotz seiner Schwächen, auch wenn er durch Abwesenheit und wenig Verlässlichkeit glänzt. Wenn sie nach Hause zurückkehrt, dann wird nur gestritten, die Türen fliegen und Alice fühlt sich als Haussklavin ausgenutzt. Nie zahlt der Vater den Unterhalt, beschenkt allerdings seine Kinder bei der armseligen Hochzeit mit Trish. Alice erhält ein Handy und bemerkt erst zu Hause, dass die Mutter ebenfalls ein neues besitzt. Das sollte ihr Geburtstagsgeschenk werden. Alice‘ lakonische Reaktion: „Na toll. Mein schlimmster Albtraum ist wahr geworden. Sie hätte genauso gut die Nabelschnur wieder annähen können.“Als alles zusammenbricht und Alice ihre Mutter und ihre Freundin Imogen ohne Skrupel angelogen hat, steht sie plötzlich im Park neben dem Karussell und weiß nicht mehr weiter. Sie kann ihren Vater nicht erreichen, der sich offensichtlich gerade wieder davonschleicht, denn seine neue Frau Trish ist schwanger. Als sie dem Karussell Schwung gibt, erwacht sie als Siebenjährige in ihrem alten, ihr aus der verklärten Erinnerung so wunderbar erscheinenden Leben.

Alice beschließt Schicksal zu spielen und die bevorstehenden Ereignisse, u.a. die Trennung der Eltern zu verhindern. Allerdings stellt sich heraus, dass nicht die Mutter den Vater vor die Tür gesetzt hat, sondern der Vater Alice, seit sie denken kann, angelogen hat. Er hatte bereits eine Affäre mit Trish und hat die Mutter mit dem Baby und sie verlassen.
Plötzlich weiß Alice auch, was sie an ihren sogenannten Freundinnen hat und empfindet keine Lust, sich auf Sashas oder Imogens Seite ziehen zu lassen.

Alice‘ Wut auf die Mutter und den kleinen Bruder verraucht langsam. Sie erkennt sich selbst nicht wieder, als sie sich als entnervte und ungerecht behandelte Jugendliche austobt. Alice taucht, dank Karussellfahrt, nun in ihrem möglichen Leben auf, wenn sie als Siebenjährige genauso gehandelt hätte, wie sie es getan hat.

Die englische Autorin Penelope Bush versteht es, sich mit trockenem Humor in einen verunsicherten Teenager wie Alice hineinzuversetzen, der auf den ersten Blick gar nicht so unsympathisch wirkt. Alice‘ Wutattacken und Aggression gegen ihre Umwelt speisen sich aus einer Lebenslüge, die ihr Vater ihr aufgetischt hat. Sie glaubt, dass die Mutter ihr durch ihre Trennung das Leben verdorben habe. Von Selbstmitleid erfüllt hat sie keinen Blick für die wahren Geschehnisse und ihre Außenwelt.

Durch den dramaturgischen Trick, die Zeit zurückzuversetzen, erkennt Alice als 14-Jährige im Körper einer Siebenjährigen, was wirklich in den entscheidenden Tagen mit den Eltern geschehen ist.

Alice erhält fast wie im Märchen durch die Autorin eine zweite Chance, ihre damals getroffenen Entscheidungen zu revidieren. In gewisser Weise ist dies auch eine Geschichte über Schein und Sein, was Kinder wie auch Jugendliche oftmals nicht durchschauen. Penelope Bush löst Alice aus ihrem Minikosmos, in dem sie sich nur um sich und ihr Unglück kreist und öffnet ihren Blick.

Unterhaltsame, trotz fantastischen Elementen sehr real wirkende Geschichte über einen wütenden Teenager auf dem die Ungerechtigkeiten der Welt lasten und seine glückliche Läuterung.