Heidi Julavits: Heute – Dem Leben auf der Spur, Aus dem Amerikanischen von Britt Somann-Jung, Atrium Verlag, Zürich 2016, 382 Seiten, €22,00, 978-3-85535-005-6
„Ich hingegen bin häufig unsicher, was meine Überzeugungen anbelangt. Das ist mein Mann meistens auch. ‚Unsicher‘ ist vielleicht nicht das richtige Wort, um uns zu beschreiben. Wir sind eifrige Hinterfrager, weil wir, obwohl wir beide Professoren sind und somit in bestimmten Situationen als Autoritäten auftreten müssen, Gewissheit abtörnend finden.“
Heidi Julavits ist eine amerikanische Autorin, die mit ihrem zweiten Mann, auch ein Schriftsteller, und ihren Kindern mal in Maine und dann wieder in New York lebt.
Alle gedanklichen Exkursionen beginnen mit dem Wort „Heute“. Heidi Julavits vermerkt ein Datum und erzählt wie in einem Tagebuch von Geschehnissen, Menschen, familiären Ereignissen oder Lektüreerfahrungen. Immer wieder liest sie im Tagebuch der Brüder Goncourt, begeistert sich für das „Kopfkissenbuch der Hofdame Sei Shonagon“ und pilgert mit ihren Kindern zum Grab von E.B. White.
Sie trennt nicht mehr zwischen dem Ich und der Welt, sondern lotet alles aus der persönlichen, autobiografischen Perspektive aus. Alles wird genau beim Namen genannt und ist somit auch glaubhaft.
Heidi Julavits reflektiert über die Herkunft ihres Nachnamens, Einkäufe bei Ebay, lange E-Mails an Freundinnen oder Touren über privater Flohmärkte.
Im Hintergrund spielt natürlich immer eine Rolle, dass sie Autorin und Lehrerin ist und ihr Mann im Grunde in der gleichen Liga spielt. Dann ist sie ungehalten darüber, dass sie bei einem längeren Berlinaufenthalt am Wannsee nur die Gattin des bekannten Autors Ben Marcus ist und nicht die Schriftstellerin Heidi Julavits. Da streitet man sich schon mal bei Kaiser’s über Hitler und denkt bei einer Exkursion zur Wannsee-Villa über deutsche Geschichte nach.
Und so funktioniert auch das Erzählprinzip der Autorin. Es gibt immer einen Anlass, z.B. ein alter Mantel, in dem die Autorin einen Zettel mit dem Ehegelöbnis findet. Und schon kreisen alle Gedanken um diesen einen wichtigen Hochzeitstag und was man alles hätte anders machen können. Bei all diesen Alltagsgeschäftigkeiten spielen Freundinnen eine herausragende Rolle, aber auch Hellseherinnen oder Heiler. Heidi Julavits will ihrem Leser nicht gefallen, sie erzählt ungeschönt von Begebenheiten in Gegenwart und Vergangenheit. Da fühlt sich die Autorin von der Diät ihres Mannes bedroht, sie kann nicht unbefangen in eine Buchhandlung gehen oder referiert über die Unsicherheiten, die auch sie und ihren Mann immer wieder befallen und wie man sich mit Witz aus der Affäre ziehen kann.
Geistreich und sprachgewaltig sind die Reflexionen und Gedankenströme von Heidi Julavits allemal, die mal locker leicht von alltäglichen Erlebnissen berichten, ob im ländlichen Maine oder in der knallharten City New York und dann wieder ernste Themen umkreisen und im besten Fall Denkanstöße liefern. Es ist die Sehnsucht nach der Wahrheit, der Wirklichkeit, die die Autorin zu ihrem Buch angetrieben hat.
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