Erin Jade Lange: Halbe Helden, Magellan Verlag, Bamberg 2015, Aus dem Englischen von Jessika Komina und Sandra Knuffinke, 336 Seiten, €16,95, 978-3-7348-5010-3

„Keine Ahnung, wie er das hingekriegt hatte, aber die kleine Quasselstrippe war mir tatsächlich ans Herz gewachsen. Irgendwie ärgerte mich das, als hätte er mich ausgetrickst oder so.“

Der 16-jährige Dane Washington hat es nicht leicht. Seine sehr junge Mutter schlägt sich mit Yoga- und Pilateskursen durch und rahmt ihre Rubbellosgewinne an die Wände ihres schäbigen Hauses. Nie wollte Dane jemanden mit zu sich nach Hause bringen, denn irgendwie schämt er sich für die Marotten seiner Mutter. Sie glaubt, wenn sie die Gewinne, u.a. 5000 Dollar, einlöst, dann endet die Glückssträhne.
Dane hat große Schwierigkeiten die Wut, die sich in ihm angestaut hat, zu bändigen. Seine Handflächen jucken ziemlich schnell und dann muss er einfach zuschlagen. Zwar sind seine Noten in der Schule ziemlich gut, aber sein Sozialverhalten ist unterirdisch und er weiß, dass er sich laut Disziplinarrat nicht mehr viel erlauben darf, wenn er nicht von der Schule fliegen will. \r\nAls neue Nachbarn in die Straße ziehen, lernt Dane Billy kennen, einen Jungen in seinem Alter mit Downsyndrom. Billy ist für seine Verhältnisse ziemlich gewieft, denn er dreht ziemlich schnell alles zu seinen Gunsten. Und als Dane wiedermal in der Klemme steckt, hilft Billy ihm sogar. Wenn Dane Billy morgens in die Schule begleitet und sein Mentor wird, dann würde ihm der Schulrausschmiss erst mal erlassen werden.

Aber Dane hat keine Ahnung, worauf er sich da wirklich mit Billy einlässt. Immer wieder schwärmt der Junge von seinem Vater, den gemeinsamen Stunden im Zoo bei den Affen und vielen unvergesslichen Aktivitäten. Nur Billys Vater ist nicht da. Dane kann nicht herausfinden, was eigentlich mit dieser Familie von Billy los ist. Billys Mutter ist ziemlich schweigsam und Billy erinnert sich nur an die positiven Momente. Und der Junge erwartet von Dane, dass er mit ihm zusammen seinen Dad sucht. Ja, er erpresst ihn sogar. Im Gegenzug will Billy Danes Dad finden. Danes Mutter jedoch gibt keine Auskunft, bis zu dem traurigen Augenblick, an dem sie zugibt, das Danes Vater sein Kind nicht wollte.

Dane ist hin- und hergerissen. Auf der einen Seite mag er Billy, seine Ehrlichkeit, Direktheit, sein breites Grinsen und seine ausgefuchste Art. Auf der anderen Seite fühlt er sich vereinnahmt und doch will er dem Jungen, der manchmal so hilflos wirkt, einiges beibringen, z.B. wie man sich so richtig erfolgreich prügelt. Doch Billy ist kein „Karatekid“ und als er seine Fäuste schwingt, weil Dane ihn ermuntert hatte, läuft alles schief.

Sie sind schon ein kurioses Paar, die beiden. Sie verhandeln miteinander, sie streiten sich, sie vertragen sich und sie brauchen sich. Immer wieder schleppt Billy die Jahrbücher der Schule an, um einen Mann zu finden, der Dane ähnlich sieht.
Aber Dane will das alles nicht. Er will eigentlich nur ein Auto und einen Computer und er liebt Seely, das Mädchen mit den raspelkurzen weißen Haaren mit dem Benehmen eines Jungen. Sie hat kurioserweise gleich zwei schwule Väter und noch einen biologischen dazu. Über diese exotischen Lebensumstände berichtet die amerikanische Autorin als sei dies alles ganz normal in Columbia Missouri, und das ist es hoffentlich.

Billy jedenfalls, sein Vater liebt Rätsel und seltsame Städtenamen, sucht in seinem Atlas nach der Spur seines Dad.
Als er glaubt, dass er seinen Wohnort, auch nach einem Brief, den Dane gefunden hat, aufgespürt hat, zwingt er Dane mit ihm loszufahren. Die Jungen nehmen sich das Auto von Billys Mutter, lösen ein paar Rubbellose ein und beginnen ihre Fahrt mitten in der Schulwoche. Dane hinterlässt eine kurze Nachricht für seine Mutter und ahnt, wenn er diese Reise mit Billy nicht antritt, ist er in seinen Augen für immer der Lügner. Aber Dane weiß auch, dass diese Fahrt seinen Schulrausschmiss besiegelt. Aber auch Billy lügt das Blaue vom Himmel. Er behauptet, er hätte ein Herzleiden und müsse bald sterben. Als Dane herausfindet, dass das alles Quatsch ist und Billys Vater seinen Sohn regelmäßig aus Verzweiflung über seinen Zustand geschlagen hat, sind sie schon viel zu weit von ihrem Heimatort entfernt.

„Halbe Helden“ ist eine wirklichkeitsnahe, lebendige und vor allem gefühlvolle Geschichte über Freundschaft, Loyalität und vor allem Identitätssuche. Der Roman überzeugt durch seine realen Dialoge, die unsentimentale Sicht auf die Geschehnisse und die starken jugendlichen Figuren.