Gill Sims: Mami braucht ’nen Drink – Erst recht an Weihnachten, Aus dem Englischen von Ursula C. Sturm, Eisele Verlag, München 2024, 317 Seiten, €16,00, 978-3-96161-203-1

„Wie dem auch sei, es kommt mir irgendwie unnatürlich vor, um diese Jahreszeit nicht in Panik auszubrechen, weil ich noch nicht für jeden das perfekte Geschenk habe. Diese Panik ist tief in mir verankert und gehört neben dem Genuss von Baileys zu meinen Lieblingshobbys im Dezember.“

1. Dezember: Ellen Greens Kinder Jane und Peter haben das elterliche Nest verlassen und könnten sich ja zu Weihnachten wieder im Schoß der Familie einfinden, aber beide haben ganz andere Pläne. Jane will mit ihrem neuen, reichen Freund nebst Eltern in den Skiurlaub fahren und Peter tummelt sich mit Freunden in Thailand. Wenn er seine Asienreise nicht unterbricht, wird Geld gespart und die Umwelt geschont. Auch gut. Und dann sagt auch noch die gesamte bucklige Verwandtschaft ab und Ellen wird mit ihrem Simon ganz allein die Vorweihnachtszeit verbringen und sogar noch die Festtage. Hätte Jane ihre Mutter am Telefon nicht als Kontrollfreak beschimpft und könnte Ellen endlich mal loslassen, was wäre alles möglich. Als Simon allerdings die Hotelpreise für eine schnucklige Kurzreise gesehen hat, ist er doch der Meinung, zu Hause ist es am schönsten. Und natürlich müssen ja die Hühner und die Hunde versorgt werden. Sich den eigenen Dämonen oder gar sich selbst, ohne Weihnachtsstress, zu stellen, fällt Ellen wirklich schwer.
Als Ich – Erzählerin verliert sie sich wie in ihren Vorgängerbänden in romantisch – idealen Tagträumen und diese kreisen natürlich um das perfekte Weihnachtsfest, dass es in ihrer Familie, zumindest mit Simon nie gegeben hat. Auch wenn sie noch nie die Charles Dickens Weihnachtsgeschichte gelesen hat und nur den Muppetsfilm kennt, hofft sie auf den Augenblick, wo die Familie in trauter Gemeinsamkeit am Kamin sitzt und sie aus dem Buch vorliest. Und immer müssen in ihren Träumen alle voller Begeisterung Weihnachtslieder singen. Da die heilige Familie an Weihnachten nicht zusammen kommt, erinnert sich Ellen an die schönsten und vor allem schrecklichsten Weihnachtstage ihres Lebens. Dabei hat sie mit ihrer Schwester Jessica das wunderbarste Fest bei Granny Green auf Ty’r Ywen erlebt. Die Enkeltöchter haben schicke Kleider getragen, es gab völlig unkorrekt Alkohol und Granny, die Meisterin der Improvisation mit ihren vielen Hunden, hat die Kinder einfach nur begeistert. Leider ist sie viel zu früh verstorben.
In ihren Erinnerungen durchläuft Ellen nun die unterschiedlichsten Feste, u.a. eines bei ihrer Schwester Jessica, die ihren Sohn Gulliver stillen musste zu der Zeit und somit von allen verlangte, dass sie keinen Alkohol trinken. Eine Zumutung, denn die Familienmitglieder können einander, insbesondere die geschiedenen Eltern von Ellen und Jessica, nur ertragen, wenn es genug Hochprozentiges gibt. Dann erinnert sich Ellen an Weihnachtstage mit zehn Kindern und ausgerechnet Jessicas Kinder tragen die Windpocken ins Haus. Skurril sind alle Geschichte über die abgedrehte Schwester von Simon, die zum Ärger ihrer vornehmen Mutter, die natürlich den Sohn viel mehr beachtet hat als die Tochter. Sie nennt sich nun Amaris, betet mit ihrem verrückten Ehemann irgendwelche Götter an und schwört auf Jurten und Eiseskälte im Winter, und stellt sich gegen alles, was der Kapitalismus der Gesellschaft abverlangt, um dann noch schnell, bei der Mutter Geld zu schnorren. In Ellens Familie gibt es Rassisten, dann heiratet ihr Vater immer wieder mal eine neue Frau und alle haben, wie in allen Familien, so ihre ganz eigenen Marotten.
Was allerdings, außer bei diesem einen Weihnachtsfest, sich regelmäßig ereignet, sind die unzähligen Shots und Mengen an Alkohol, die alle in beste Stimmung versetzen und vor allem die Pannen an den Tagen der Liebe.
Wie immer lesen sich Ellens Familiengeschichten äußerst witzig und ihre inneren Bekenntnisse. Sie weiß natürlich, wie schwer es ihr fällt, ihre Kinder einfach mal ziehen zu lassen und sich auf sich selbst zu konzentrieren. Warum alle nun diesen Weihnachtszirkus und vor allem den ganzen Stress auf sich nehmen, der irgendwie dazugehört, bleibt eine unbeantwortete Frage.
Zum Glück hat Ellen bei Marks & Spencers bereits im Oktober Mengen von Essen bestellt und natürlich vergessen abzubestellen. Als Jane dann doch am 24. Dezember ins Haus trudelt, kann Ellen alle Vorwürfe ihres Mannes zurückweisen und ihr Kind endlich verwöhnen.
Keine Frage, Gil Sims ist die Meisterin der Situationskomik mit allen Albernheiten und dem üblichen Sozial Media – Wahnsinn in Sachen Familie und Selbstdarstellung. Die Autorin legt den Finger in alle Wunden und sorgt für ein gutes Gefühl, in dem Wissen, dass nicht nur ihre Protagonistin an Weihnachten durchdreht und alle mit ihren hohen Erwartungen nervt.

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