Kirsten John: Gefährliche Kaninchen, Arena Verlag, Würzburg 2012, 156 Seiten, €9,99, 978-3-401-06735-3

„Egal, was man ist und welch komplizierte Namen man sich gibt: In getauschten Leben ist alles anders. Tauschleben ist neu, von Anfang an.“

Das Leben von Max ist schon seltsam. Seine Mutter, eine Biologin, hat in jeder Situation, auch beim Essen, ein Buch vor der Nase. Sein Vater, ein Rechtswissenschaftler, ist oft nicht zu Hause und liest, wenn er dann mal da ist, in einem anderen Raum des großen Hauses, in dem man sich ziemlich einsam fühlen kann. Max jedenfalls könnte in seinem Zimmer Fußball spielen. Die hohen Buchregale täuschen darüber hinweg, dass er viel lieber Nintendo spielt und Geschwister hätte. Es sind Ferien. Max soll nach den Worten seiner Mutter seinen Forschergeist entwickeln, aber auf Kommando hat er dazu wenig Lust. So erobert er eine Höhle unten am Bach, ach nein, Fluss hört sich besser an und stellt sich den gefährlichen Kaninchen. Bei diesem unsinnigen Unterfangen, das weiß auch Max, lernt er Leonie kennen, die gerade erst mit ihrer Familie neu zugezogen ist. Sie wohnt in einem kleinen Haus voller lauter Geschwister, einer Mutter, die kochen kann und einem Vater, der alles repariert. Nur findet das Mädchen keine ruhige Stelle, um ein Buch zu lesen. Max und Leonie schmieden einen Plan. Da Max zu Hause sowieso unsichtbar ist und alles machen darf, was ruhig ist, könnte auch Leonie seinen Platz einnehmen. In der Kinderhorde in Leonies Patchworkfamilie fällt ein Junge mehr gar nicht auf.

Max fühlt sich pudelwohl unter den spielenden, tobenden und lauten Brüdern, die anderen, leider auch den Nachbarn, gern Streiche spielen. Er stellt fest, das die Nachbarn rundum im Viertel ein großes Problem mit den Neuen haben und bereits eine Unterschriftenliste gegen sie sammeln und zu guter Letzt auch noch die Zeitung jeden Morgen klauen. Die unsichtbare Leonie hört ebenfalls unfreiwillig, dass Max‘ Eltern sich scheiden lassen wollen. Was nun?
Da Leonies Mutter früher im Bereich Partnerschaftsberatung tätig war, sollte sie mit Max‘ Mutter sprechen und Max Vater als Rechtsberater könnte sich um den Nachbarschaftsstreit kümmern.

Das Tauschgeschäft geht weiter. Leonies und Max\‘ Eltern geraten immer tiefer in die Konflikte der jeweiligen Familien hinein. Max‘ Vater versucht mit Leonies Vater, den Zeitungsdieb zu stellen und die Frauen finden ebenfalls eine Gesprächsebene.

Die Konflikte an sich jedoch können sie nicht aus dem Weg räumen und es kommt noch schlimmer: Max‘ Vater will wirklich ausziehen, dabei sollten sich die Eltern doch um mehr Nähe bemühen. Das könnten sie in einem kleineren Haus, denken Max und Leonie. Nur tauschen Erwachsene wirkliche ihre Häuser?

Kirsten John erzählt fast lebensnah zwei verrückte Familiengeschichten voller Turbulenzen. Im Hintergrund ziehen die Kinder die Fäden und bemerken aber schnell, dass die Erwachsenen am längeren Hebel sitzen. Die Autorin beschreibt auch ernste Momente, wo Kinder, die eine Scheidung erleben mussten, zu Wort kommen und aus ihrer Sicht die Geschehnisse darstellen. Leonies Bruder Tristan nimmt seinen abwesenden Vater, als die Sprache auf ihn kommt, erst in Schutz. Ja, er wohnt weit weg und so kann er sich nicht kümmern. Aber dann wird ihm klar, dass das Quatsch ist und er und seine Stiefbrüder sind sich einig, Leonies und Tristans Vater ist „echt ein Arsch“.

Das sind die Augenblicke, in denen die fröhliche Geschichte kurz umschlägt und sehr realistisch wird. Tristan wird von seinen neuen Geschwistern aufgefangen und der Wahnsinn kann weitergehen, auch ohne gefährliche Kaninchen.