Michael Morpurgo: Freund oder Feind, Aus dem Englischen von Birgit Salzmann, Carlsen Verlag, Hamburg 2012, 96 Seiten, €12,30, 978-3-551-58229-4

„Er hasste sich dafür und war verzweifelt, weil er es tun musste.“

Der Junge David Carey hat keine andere Wahl, er muss gemeinsam mit seinen Schulkameraden London und seine Familie verlassen. Es herrscht der Zweite Weltkrieg und viele Kinder werden von London aus auf’s Land in Richtung Devon evakuiert. Wie lange die Trennung dauern wird, keiner vermag es zu sagen.

Davids Mutter kehrt ebenfalls London den Rücken, um an der Südküste bei einem Flugabwehrbataillon stationiert zu werden. Davids Vater ist gefallen.
Gemeinsam mit seinem Freund, dem etwas langsamen Tony Tucker, landet David auf der kleinen Farm bei Mr Reynolds. Beide Stadtjungen fühlen sich von Anfang an wohl bei dem sympathischen, korpulenten Mann und seiner kleinen Frau Ann.

Bei der Farmarbeit vergessen die Jungen ihren Kummer und das Heimweh. Auch in der gut fünf Kilometer entfernten Schule finden die beiden schnell Anschluss. Aber dann holt der Krieg die beiden wieder ein. Sie sind die einzigen Augenzeugen, die beobachten wie ein feindlicher Bomber irgendwo im entfernten Moor untergeht. Die aufwendige Suchaktion jedoch bleibt ohne Erfolg und die Jungen fühlen sich unwohl, da niemand ihnen glauben will.

David wurmt, dass die Dorfleute sie nun für Fantasten halten und er sucht gemeinsam mit Tucky nach dem Flugzeug. Bei ihrer erfolglosen Aktion fällt David in den reißenden Fluss und wird von einem der deutschen Piloten im letzten Moment herausgezogen. Die Jungen haben sich also doch nicht geirrt, zwei Männer haben den Absturz überlebt und nun benötigen sie Hilfe, Decken und Lebensmittel. Einerseits sind die Jungen beruhigt, denn nun wissen sie, dass sie keine Gespenster gesehen haben. Zum anderen wird ihnen klar, dass sie die beiden Männer, die Feinde, nicht verraten können.

Doch wie sollen die Jungen sich entscheiden? Immerhin hat der eine Pilot David das Leben gerettet. Wenn sie den Deutschen helfen, müssen sie ihre Pflegeeltern bestehlen.

David quält sich mit seinen Gewissensbissen. Für Tucky dagegen ist es ein großes Abenteuer und längst klar, dass sie helfen müssen.

Der englische Autor Michael Morpurgo zeigt in dieser sprachlich wunderbar geschriebenen Erzählung, dass es nicht nur Gut und Böse oder Schwarz und Weiß im Leben gibt, so wie Kinder das oftmals empfinden. Mit seinem Gewissen ringend stellt das auch David schmerzlich fest, der auf sich gestellt, allein eine Entscheidung treffen muss. Wie kann es sein, dass er diesem Feind die Flucht ermöglicht? Und doch hat der Pilot ihm spontan und ohne großes Nachdenken geholfen. Außerdem kämpfen die Jungen auch mit dem schlechten Gefühl, da sie lügen müssen.

Michael Mopurgo wirft seine fiktiven Figuren mitten ins Leben unter erschwerten Bedingungen, bürdet ihnen diese Last auf und lässt den Leser mitfiebern, wie die Jungen ihre Lage meistern.