Alan Bradley: Flavia de Luce – Mord ist nicht das letzte Wort, Aus dem Englischen von Gerald Jung und Katharina Orgaß, Penhaligon Verlag, München 2017, 347 Seiten, €19,99, 9783-7645-3113-3

„Erstaunlich, was für ein Hochgefühl so ein Leichenfund auslösen kann! Ich leckte meinen geistigen Bleistiftstil an und machte mir ein paar Notizen.“

Die 12-jährige Flavia de Luce ist aus Kanada zurückgekehrt, aber kein Empfangskomitee mit Blumen und Freudentränen erwartet das wissbegierige Mädchen, dessen Steckenpferde die Chemie und Mordfälle sind, in ihrem englischen Zuhause in Bishop’s Lacey. Ihre garstigen Schwestern sind bereits ins Bett gegangen und ihr Vater liegt mit einer Lungenentzündung im Krankenhaus. So führt Flavias erster Gang zu ihrer Freundin, der Pfarrersfrau Cynthia. Diese bittet sie, einen Brief bei Robert Sambridge, einem alten Mann und Tischler, abzugeben. Er wohnt einsam in Stowe Pontefract. Und wie kann es anders sein, als Flavia ins Haus geht, findet sie mitten in der Vorweihnachtszeit eine Leiche. Allerdings ist der gut 70-Jährige nicht in seinem Bett gestorben, sondern an der Schlafzimmertür verkehrt herum gekreuzigt worden. Kein schöner Anblick, aber damit hat Flavia kein Problem, ganz im Gegenteil. Bevor sie die Polizei und ihren alten Bekannten, Inspektor Hewitt informiert, durchsucht Flavia die Leiche und die Räumlichkeiten. Seltsam ist, dass Sambridge, ein offenbar einfacher Mann und Schnitzer, Erstausgaben in seinem Bücherschrank zu stehen hat, u.a. Bücher von dem so bekannten Autor Oliver Inchbald, u.a. „Mein Steckenpferd“ eine Ausgabe, die jedes Kind und jeder Erwachsener in England kennt. Legendär sind Inchbalds Verse und sein angeblich inniges Verhältnis zu seinem Sohn Hilary. Allerdings ist der berühmte Dichter bereits tot, tragisch auf der Insel Steep Holm umgekommen, angeblich zerfleischt von Seemöwen. Flavias Neugier ist geweckt und da sie ihren Vater im Krankenhaus nicht besuchen darf und sich sowieso niemand um sie kümmert, hat sie Zeit für eigene Recherchen. Nur Dogger, der treue Diener ihres Vaters, beobachtet ihr Treiben.

Erzählt aus der Ich-Perspektive der Hauptfigur folgt der Leser nun Flavias Gedanken und Besuchen, u.a. in London. Aber dieser Fall ist nicht so einfach, bis sich endlich eine Spur ergibt. Sambrigde ist bekannt für seine Menschenscheu und seine Trinkfreudigkeit. Abends saß er im Pup, redete mit niemandem und schrieb in ein Heft. Flavia wird zugetragen, sie kann nicht fassen, dass sie das nicht selbst herausgefunden hat, dass Sambridge eigentlich Oliver Inchbald ist. Inzwischen hatte Flavia über dessen Sohn so einiges erfahren und als sie ihn bei der Nachbarin, Lillian Trench, von Robert Sambridge trifft, entsteht auch langsam ein Bild von diesem nicht besonders innigen Vater – Sohn – Verhältnis. Immerhin findet Flavia heraus, dass Oliver Inchbald seinen Sohn als Kind geschlagen hatte und dieser nun zurückgezogen vom Ruhm des Vaters lebt. Allerdings wirft die Nachbarin von Robert Sambridge, Lillian Trench, die aufdringliche Flavia aus dem Haus. Auch ein Novum. Lillian Trench soll eine Hexe sein und sie hat Flavia schnell durchschaut.

Doch wer hat nun ein Interesse daran, den beliebten Oliver Inchbald, der ja offiziell schon tot ist, zu beseitigen? Und warum diese aufwendige Todesinstallation der Kreuzigung? Und wer war der angeblich von Möwen auf der Insel getötete Mann? Oder ist alles doch ganz anders?

Der fast 80-jährige Kanadier Alan Bradley besticht auch in diesem Flavia de Luce- Roman mit seinem trockenen Humor und der Darstellung seiner jungen ehrgeizigen wie scharfsinnigen Miss Marple, die auch bei diesem Fall gegen Widerstände kämpfen muss. Hilfreich wie immer sind ihre Pfadfinder- und Chemiekenntnisse, sowie die Lektüre des alten Edgar Wallace. Wunderbar altmodisch ist natürlich die Zeit, Mitte des 20. Jahrhunderts, in der es natürlich keine Handys gab, Telefonate etwas Besonderes waren und Leute ihre Filme noch entwickeln mussten und ab und zu Fotos einfach nichts wurden. Ein herber Verlust und Flavias Begeisterung für alle möglichen Säuren wird sie auf den richtigen Weg führen.