Adam Soboczynski: Fabelhafte Eigenschaften, Klett-Cotta Verlag, Köln 2015, 206 Seiten, €18,95, 978-3-608-98030-1

„Der Zorn galt nicht mehr dem bösen Staat, sondern den lächerlichen Individuen. Alles kreiste um gesundes Essen oder die liebevolle Bepflanzung von Trottoirs, um eitle Posen im Netz und belanglose Lustigkeiten.“

Wie gut, wenn man als Künstler nicht nur ein finanzielles Polster, sondern auch noch ein gutes Aussehen hat. Hans Weinling verfügt über beides und ein gewisses Ansehen in der Kunstwelt. Sein bekanntes Bild Ochse am Strand verhalf ihm zu Popularität und seinem Markenzeichen, Tiere vor Meereskulisse. Die Kunstmagazine setzten seit einiger Zeit auf Personalisierung und vor allem Homestorys und da scheint Weinling geradezu prädestiniert. Aber eigentlich hat er solchen Firlefanz nicht nötig, auch wenn er sich gern freundlich und geradezu altmodisch höflich gibt. Auch die Kritiken bestimmter Kunstexperten fechten Weinlings künstlerischen Weg nicht an. Wenn er etwas malt, ahnt er bereits im Voraus, was sich die Schreiberlinge wieder einfallen lassen. Auf der Vernissage lernt Weinling nun Julia kennen, eine junge Frau in den Dreißigern, die ihn mit ihrer direkten Art zu faszinieren scheint. Julia jedoch ist mit dem ebenfalls freundlichen Sebastian Warncke liiert, eine Beziehung, die jedoch langsam dem Ende entgegensteuert. Er, ein Architekt mit Arbeitereltern im Hintergrund, sie eine aufstrebende finanziell sorgenlose Journalistin mit feinen Unternehmereltern passen irgendwie nicht zusammen. Immer ist er sensibel auf ihre Stimmungen eingegangen. In dem Moment, wo er versucht die eingeübten Rollen umzustülpen, bricht das Liebeskonstrukt.

Adam Soboczynskis Figuren sind nicht unbedingt unsympathisch. Sie sind auf ihre anspruchsvolle und fordernde Art eher Abbilder des Zeitgeistes. Julia fragt sich allen ernstes, ob Weinling, mit dem sie eine Beziehung beginnen wird, wirklich gut genug für sie ist. Zu ihrem Leidwesen muss sie feststellen, dass er alle Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit auf sich zieht, und nicht sie. Er ist nicht der schillernde Held beim ersten Treffen mit Julias Eltern, deren Gebaren ihr Ex-Freund so gehasst hat.

Alle Figuren, die im Verlauf der Handlung auftauchen, sind in irgendeiner Weise, teilweise ohne es zu ahnen, miteinander verbunden und geradezu dazu geeignet über sie zu spotten. Und dann schreibt Sebastians Freund Per auch noch einen Roman über die Dreiecksgeschichte Sebastian, Julia und Hans. Soboczynski zieht eine Schublade nach der anderen auf, um heraus purzeln die Geschichten von Eva Hersohn, Kunstkritikerin und Tante von Hans Weinling, von Werner Kerst, Literaturwissenschaftler im Ruhestand und emsiger Leser der Hinterlassenschaften des Autors Wetzlar und Charlotte, Übersetzerin wohnhaft in Paris und Bekanntschaft von Sebastian und Kerst Sohn, Mark, dessen Mutter wiederum befreundet ist mit Eva Hersohn.
Alle Figuren treten in Kontakt, stolpern auf irgendeine Weise über ihre eigenen Füße, ziehen sich an, stoßen sich ab, bewältigen ihre Krisen, Weinling vor allem seine Schaffenskrise, oder auch nicht.
Ist das nun ein Liebeskomödie und ein Gesellschaftsroman, wie vom Verlag angepriesen oder ein Spiegel der Zeit, wo die einen noch hingebungsvoll sich ihren Passionen widmen, wie der alte Kerst und die anderen, auch aus finanziellen Erwägungen, Kompromisse schließen, sich anpassen und auf eigene Ideen verzichten, wie der junge Sebastian? Beide Männer verstehen sich trotz anfänglicher Skepsis bestens. Vielleicht liegt hier der Schlüssel der Geschichte?