Katrin Seedig: Eheroman, Rowohlt Verlag Berlin, Berlin 2012, 447 Seiten, €19,95, 978-3-87134-736-8

„Er fühlt sich wohl, und er fühlt sich sicher. Sie denkt daran, dass manche Menschen ihre Lebensgefährten umbringen.“

Ava Grünebach, vom Vater benannt nach der unvergleichlichen amerikanischen Schauspielerin Ava Gardner, will auf der Suche nach dem Glück, keine Frage, alles anders machen als die Eltern. Sie leben ausgeglichen und mit sich im Reinen in einem kleinen Dorf. Die Mutter immer etwas zu dick, der Vater etwas fern der Welt vertieft in fremden und eigenen Gedichten. Avas Schwester heißt Petra und bei ihr scheinen die Erwartungen auf ein angenehmes Normalmaß hinuntergeschraubt. Sie heiratet ohne überschwängliche Hoffnungen ans Leben einen Jungen aus dem Ort, den sie schon ewig kennt, bleibt dort im Reihenhaus wohnen und bekommt ihre Kinder.

Ava verlässt ihr Dorf, erlernt in Lüneburg den Beruf der Krankenschwester und erwartet etwas. Was genau, wie ihre Träume sein könnten, weiß sie nicht.

Sie wendet sich nach einer lauen Beziehung zu einem Arzt nach einigen Begegnungen dem Kroaten Danilo zu. Ihren vier Jahre jüngeren späteren Partner lernt sie kennen, da ist er 12 Jahre alt und wohnt ebenfalls im Dorf der Eltern. Seine nie in Zweifel gezogene heftige Liebe zu ihr reißt sie mit. „Wenn Danilo es so sagt, dann hört es sich richtig an.“ Sein Wort hat für sie Bestand. Sie ziehen zusammen und immer ist auch Danilos Vater dabei, eine ausgestopfte Puppe.

Ava arbeitet in ihrem Beruf, er geht noch zur Schule, studiert und ohne das die beiden es ahnen, beginnt eine langsam schleichende Entfremdung. Mit 28 Jahren wird Ava schwanger. Sie meint, es sei an der Zeit. Er betrachtet seine kleine Familie neben Freunden und Studienaufgaben als Anker.

Doch wie hält man sie aufrecht, die Liebe? Und auch Ava fragt sich: „Wie lange kann man jemanden schön finden, wenn man ihn Tag für Tag sieht und wenn sich das Schönsein mit dem anderen Sein vermischt?“

Die kleine, anstrengende Merve trennt Ava und Danilo mehr, als das das Baby die frischgebackenen Eltern verbinden könnte. Er ist genervt, Ava nur müde und unzufrieden.
Immer in Geldnot empfindet sich Ava nicht mehr attraktiv. Danilo hat weder für sie noch für ihr gemeinsames Kind Interesse und lebt in seiner Welt, treibt seine wissenschaftliche Karriere voran und wird Assistent seines Profs. Ava weiß nicht mal, was er studiert und was ihn beschäftigt. Wenn die beiden Zeit zusammen verbringen, haben sie sich nichts zu sagen. Sie stecken in einer heftigen Krise und machen einfach weiter.
Ava ist mit der verrückten und so lebensuntüchtigen Merve befreundet, die sie im Schwangerschaftskurs kennengelernt und nach der sie auch ihr Kind benannt hat. \r\nAn der schwierigen Merve hält Ava fest, egal, was sie sich leistet. Sie kümmert sich und kann doch nicht ertragen, wenn jemand Schmerzen erleiden muss.

Über die Banalität und Mittelmäßigkeit des Lebens schreibt Katrin Seedig fast schnoddrig und doch mit ihren Figuren in vielen Momenten mitfühlend. Ava und Danilo heiraten ohne Aufwand. Warum Danilo sie ehelichen will, die Antwort bleibt er Ava schuldig. Sie bekommt ihr zweites Kind, den so wunderbar friedlichen Martin. Und doch Avas Alltag reibt sich auf zwischen den Kindern, ihrer Unzufriedenheit, ihrer Einsamkeit und den kleinen Affären.

Am Ende wird die Beziehung zwischen Ava und Danilo sich wie von selbst auflösen. Beide haben es längst gewusst.

Katrin Seedigs Roman erzählt eine unaufgeregte Geschichte von Menschen, die tagtäglich an jedem von uns vorbeilaufen. Und wer will schon etwas von Menschen lesen, die als Überflieger immer alles richtig machen? Es sind die vielen Schwächen, Irrtümer und Macken die Figuren menschlich erträglich werden lassen. Ava steht am Ende des Romans vor einem Neuanfang. Möglicherweise macht sie wieder die gleichen Fehler.