Eeva Louko: Kalte Flut, Aus dem Finnischen von Anu Katariina Lindemann, Heyne Verlag, München 2024, 400 Seiten, €16,00, 978-3-453-42735-8

„In Wirklichkeit machte sie sich Sorgen, schließlich war ihr Vater ermordet worden, in die Wohnung war jemand eingebrochen und jemand hatte versucht, sie zu überfahren. Aber warum war der Mörder hinter ihr her? Das ergab doch alles keinen Sinn. Es sei denn, dass sie etwas wusste, das sie nicht wissen sollte. Aber was sollte das sein?“

Auf der Insel Lauttasaari, einem Stadtteil von Helsinki, wird im Herbst am Wasser ein Leiche entdeckt. Der Mann ist barfuß, trägt für die Herbstzeit Sommersachen, Würgemale am Hals und sein Gesicht wurde wahrscheinlich durch die Flut heftig zertrümmert. Die Ermittler Anton Koivu und Oona Laine entdecken bei der Leiche eine Postkarte aus Spanien mit einer warnenden Mitteilung. Als die Identität der Leiche, es handelt sich um den pensionierten Geschichtslehrer Harri Vaara, geklärt ist, findet die Polizei noch eine ganze Reihe von Postkarten aus Spanien, immer mit dem gleichen Spruch. Eigentlich wollte Ronja Vaara, die Tochter des Opfers, den Vater bei ihrer jährlichen Finnlandreise besuchen. Die einunddreißigjährige, jetzt arbeitslose Onlinejournalistin lebt seit fünfzehn Jahren in London. Als Ronja sechs Jahre alt war, hat die Mutter sie verlassen, um fortan im Ausland zu leben. Auch wenn Harri sein Kind allein großgezogen hat, scheinen beide kein enges Verhältnis zu haben. Bei den Befragungen der Polizei kann Ronja wenig über ihren stillen, wie extrem schweigsamen Vater berichten. Obwohl Ronja nicht mehr in Helsinki lebt, hat sie immer noch Kontakt zu ihren beiden Freundinnen Milla und Ansku.
Parallel zu den gegenwärtigen Geschehnissen wird aus der Zeit von 1975 erzählt. Klar ist, es geht um eine verbotene Liebe und außerdem um ein Logbuch.
Ronja jedenfalls tappt total im Dunkeln, denn sie hat keine Ahnung, wer ihrem Vater nach dem Leben trachten sollte. Neben den Ermittlungen, die sich eher im Hintergrund abspielen, erfahren die Lesenden so einiges über die drei Freundinnen und das Liebesleben des Kriminalhauptkommissars Koivu. Er hat sich unverbindlich mit Ansku über Tinder verabredet, aber es bleibt nicht bei einem einmaligen One – Night – Stand. Milla hingegen führt im Gegensatz zu ihren Freundinnen, die sich nicht binden wollen, eine mittlerweile unglückliche Ehe mit dem computersüchtigen Topi, mit dem sie drei Kinder hat. Seine Mutter Helena kümmert sich um die Kinder, wenn er eigentlich diese Aufgabe übernommen soll. Je mehr die Polizei über Harri zusammenträgt, um so rätselhafter wird es. So hat er einer offenbar fremden Person, Ellen Rinne, zehntausend Euro vermacht. Dann taucht in den Akten auf, dass Harri einst mit einer Schusswunde ins Krankenhaus eingeliefert wurde und Helena Saari, Millas Schwiegermutter, als angebliche Angehörige ihn begleitet hatte.
Eine seltsame Frau namens Sara steckt Ronja einen verrosteten Schlüssel zu, mit dem sie nichts anfangen kann. Die verwirrte Sara Lumme, die Ronja offensichtlich beobachtet, hat als junge Mutter Schreckliches erlebt. Ihre beiden Kinder Toivo, sechs Jahre alt und Anniki, neun Jahre alt, sind am Strand von Kasinorante verschwunden. Tage später ist Anniki wieder aufgetaucht, aber sie hat kein Wort über Toivos Aufenthaltsort gesagt.
Und dann ist da noch Ville, Ronjas Jugendliebe. Er versucht den Kontakt zu Ronja wieder aufzubauen, doch Ronja misstraut ihm. Was ist in der Vergangenheit von Harri Vaara geschehen?
Und dann wird auch noch Ellen Rinne getötet, die in Wahrheit Anniki, also Saras Tochter ist.
Die Ermittler sammeln alle Informationen und doch können sie die Puzzle nicht zusammensetzen.
Erst Ronja wird mit Ansku, mit Milla hat sie sich heftig zerstritten, die wahren Motive herausfinden und genau in die Falle des rächenden Mörders tappen.

Spannend liest sich dieser finnische Krimi, der keinen Wert auf brutale Darstellungen legt, sondern sich eher auf die Insel, genannt auch die Insel der Glücklichen, mit ihren Menschen und deren Geheimnissen konzentriert. Angedacht ist wohl eine Reihe mit Ronja Vaara, die dann wohl in Helsinki bleiben wird.

Lesenswert!