Fionnuala Kearney: Du und ich und andere Leute, Aus dem Englischen von Birte Mirbach, Bloomsbury Verlag, Berlin 2015, 384 Seiten, €16,99, 978-3-8270-1264-7

„Mein sterbender Sohn ist der einzige Mensch, der mich für einen netten Menschen hält.“

Beth Hall hätte vor einigen Wochen noch gesagt, ja, ich führe eine glückliche Ehe. Ihr Mann Adam hat sie zwar vor neun Jahren mit einem sogenannten One-Night- Stand schon mal betrogen, aber diese Krise haben sie zusammen überstanden und nun ist alles wieder in Ordnung in der Beziehung. Und gut geht es den Halls mit ihrem anmutigen Reihenhaus im Pendlergürtel von Surrey. Sie haben eine wunderbare Tochter, Meg, die jetzt studiert. Adam ist ein erfolgreicher Vermögensberater und Beth schreibt Songtexte. Ihr Agent meint, sie stünde kurz vor dem Durchbruch, aber das scheint mehr so dahingesagt. Aus beiden Perspektiven, aus Adams und Beth‘ Blickwinkel, betrachtet die irische Autorin, die jetzt in London lebt, die Geschehnisse.

Aber dann entdeckt Beth, dass Adam sie erneut belogen hat. Er hat eine heiße Affäre mit einer Kellnerin namens Emma. Es stellt sich dann zwar heraus, dass Emma nicht im Alter von Meg ist, und sogar einen vierzehnjährigen Sohn hat. Sie ist Inhaberin eines Restaurants und stammt aus einer reichen Familie. Alles in ihrem Haus ist weiß und irgendwie unschuldig, aber für Adam nach kürzester Zeit schon nicht mehr so aufregend. Nur der Sex hält sie zusammen. Adam hatte eigentlich an eine kurze Liaison gedacht, wenn er überhaupt etwas gedacht hat. Beth jedenfalls reicht es jetzt, sie will die Trennung.

Alles beginnt wie ein typischer Roman über Mann, der Frau betrogen hat und diese in Trauer versinkt und sich doch wieder hochrappelt. Aber so wird es nicht sein, denn Adam hat und das stellt sich nun nach und nach heraus, in seiner Ehe nicht nur ein- oder zweimal gelogen. Er hat seiner Frau und sogar seinem jüngeren Bruder Ben verheimlicht, dass seine Eltern nicht an einem Unfall verstorben sind.
Und Adam ist der Vater vom neunjährigen Noah, das Ergebnis der einen Nacht mit einer Kundin. Sie wollte Distanz und forderte, dass er nicht die Vaterrolle übernimmt. Ihm war das recht, aber an jedem Geburtstag kauft er doch ein Geschenk für den Sohn, fährt zu seinem Wohnhaus und traut sich doch nicht zu klingeln.

Beth stopft zu viele Chips in sich hinein, macht eine Therapie und ahnt, dass ihr Leben nun eine völlig neue Wendung nehmen wird, wenn sie sich von Adam trennt.
Sie kann das Haus nicht halten und sie muss sich einen „richtigen“ Job suchen.
Adam versucht alles, um Beth wieder zurückzugewinnen, aber seine Bemühungen laufen ins Leere. Beth hat Angst vor der Zukunft, ihm zu vertrauen und wieder enttäuscht zu werden.
Erneut dreht sich die Handlung in eine völlig andere Richtung. Noah erkrankt an Leukämie und benötigt einen Spender. Adam muss nun vor seiner Familie Farbe bekennen. Da er nicht als Spender in Frage kommt, bleibt nur noch Meg als nahe Verwandte.
Beth hat inzwischen einen lukrativen Auftrag für einen Filmsong aus L.A.. Für sie läuft alles bestens und die Trennung gab sogar den Impuls für die richtigen Worte ihres Songs. Und doch privat befindet sich alles in einer ausweglosen Schieflage.

Unterhaltsam und trotzdem mit Tiefgang liest sich dieser erste Roman mit dem etwas seltsamen Titel „Du und ich und andere Leute“ von Fionnuala Kearney. Beginnt er im Erzählton leicht ironisch, so kippt die Geschichte doch auch zeitweilig ins tragisch Dunkle. Lebenslügen, bei denen es einfacher war, sie zu verheimlichen, kommen irgendwann dann doch ans Tageslicht. Mag Adam zu Beginn nicht gerade eine sympathische Figur gewesen zu sein, im Laufe der Geschichte fühlt man schon Empathie mit ihm und seiner in der Jugend äußerst schwierigen Lebenslage.