Dacia Maraini: Drei Frauen, Aus dem Italienischen von Ingrid Ickler, Folio Verlag, Wien 2019, 180 Seiten, €20,00, 978-3-85256-771-6
„Ich wollte nur mal kosten, mehr nicht, aber dieser Biss hat Spuren im Bauch hinterlassen, mit ungeahnten Folgen. Jetzt stecken wir in echten Schwierigkeiten.“
Eine experimentierfreudige, lebensfrohe Tochter, eine hart arbeitende und romantische Mutter und eine immer noch an Erotik und Küssen interessierte sechzigjährige Großmutter leben unter einem Dach. Über ein Jahr ziehen sich ihre Aufzeichnungen über ihr wechselvolles Leben hin. Lori, die Tochter, führt Tagebuch, Maria schreibt altmodische Briefe an ihren attraktiven, aber ansonsten blassen Geliebten François und Großmutter Gesuina vertraut ihre Gedanken und Erlebnisse mit dem um Jahre jüngeren Bäcker, mit dem sie herumturtelt, ihrem Diktiergerät an. Aus drei Perspektiven läuft nun das Leben vor dem inneren Augen des Lesers ab. Die Frauen teilen sich eine Wohnung, weil sie müssen, denn die Schauspielerin Gesuina arbeitet nicht mehr und kann nur durch ihre geschickte Art Spritzen zu setzen, etwas hinzuverdienen. Maria ist die Ernährerin, sie übersetzt in langen Stunden zur Zeit den französischen Klassiker „Madame Bovary“. Ab und zu ist die Nähe unerträglich, zumal die Frauen doch sehr unterschiedlich sind. Gesuina schiebt ohne Gewissensbisse alle Arbeit auf die Tochter ab und Lori macht es ihr nach. Sie lässt sich ein Drachentatoo stechen und trifft sich zum gelegentlichen Sex mit ihrem Schulkameraden Tulù. Oma und Enkelin lachen zynisch und ziemlich gemein hinter Marias Rücken über ihre romantische, wie sie finden, naive wie altmodische Liebesbeziehung. Als Marias François zu Weihnachten vor der Tür steht, staunen Oma und Enkelin nicht schlecht, denn der Franzose sieht gut aus und stellt sich auch im Haushalt hilfreich an. Er hat die besten Manieren, die ihn er allerdings vergisst, wenn ein junges Mädchen ihm Avancen macht. Wie immer verreisen Maria und er und diesmal bewundern sie Vincent van Goghs Bilder in Amsterdam.
Gesuina vertieft sich nicht wie ihre Tochter Maria nur in Bücher und die Arbeit und sie hat ziemlich schnell verstanden, dass Lori dem Liebhaber der Mutter schöne Augen macht. Dass die Sechzehnjährige sich jedoch schwängern lässt, damit hatte sogar die Oma nicht gerechnet.
Als Maria aus Amsterdam zurückkehrt, muss die Tochter mit ihr reden und schiebt dieses Gespräch doch immer wieder vor sich her. In einem Brief, der eklatante Folgen haben wird, versucht Lori der Mutter alles zu erklären.
Dacia Marainis Roman mit den Ansichten von drei Frauen aus drei verschiedenen Generationen liest sich trotz konfliktreichem teils tragischen Ende sehr leicht. Die Frauen verstehen es, ihre Gefühle, Reflexionen und Gedanken schnell auf den Punkt zu bringen. Leider unterscheiden sie sich sprachlich kaum, weder in der Wortwahl, noch im Erzählton. Kurzzeitig überlebt Lori das Kind ihrem Freund Tulù unterzujubeln, aber dieser plant nach Deutschland zu gehen, da er in seinem Land keine Arbeitsperspektive sieht. Hier klingt mal etwas vom gesellschaftlichen Hintergrund an.
Die Schriftstellerin Dacia Maraini gehört zu den wichtigsten Intellektuellen Italiens. Sie wurde 1936 in der Nähe von Florenz geboren und zeigt in ihrem Roman „Drei Frauen“ einen realen Ausschnitt aus gegenwärtigen Schicksalen.
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