Salah Naoura: Dilip und der Urknall und was danach bei uns geschah, Cecilie Dressler Verlag, Hamburg 2012, 168 Seiten, €12,95, 978-3-7915-1428-4

„An dem Tag, an dem ich beim Freundschaftsspiel der E-Jugend zweimal das falsche Tor traf, beschlossen meine Eltern, dass sie ein zweites Kind wollten.“

Der neunjährige Anton spielt nicht nur megaschlecht Fußball, er kann auch nicht gut rechnen. Laut seinem Vater kommt man ohne Mathematik im Leben nicht weiter. Dabei hat Anton, der auch diese Geschichte erzählt, ganz andere Talente. Er schreibt die Grimmschen Märchen um und findet passende Enden für die doch manchmal recht unlogischen Geschichten. Anton, keine Frage, hätte ganz gern einen Bruder, aber er sollte möglichst so alt sein wie er selbst. Nach anfänglichen Diskussionen und heftigen Streitereien entscheiden sich die Eltern für einen Besuch im Kinderheim.
Ein Mädchen soll es sein, doch dann sieht Antons Mutter den dunkeläugigen Dilip, einen Jungen aus Indien.
„Wie alt ist er?“, erkundigte ich mich.
„Neun.“
„Perfekt. Den nehmen wir.“ Mama nickte stumm vor Glück.

Allerdings möchte Antons Vater das neue Familienmitglied gern wieder umtauschen, denn Dilip spricht nicht. Aber der erste Eindruck von diesem doch so pflegeleichten Bruder, der kein großer Fußballstar ist und nicht nervt, täuscht. Dilip ist hochintelligent, er rechnet in Windeseile schwerste Aufgaben und beschäftigt sich intensiv mit naturwissenschaftlichen Fragen, besonders gern mit den Problemen im Weltall. In diesem Punkt sind nun die hohen Erwartungen von Antons Vater erfüllt.

In Antons Leben ändert sich nun so einiges. Der Vater tritt einen neuen Bankjob an, ein großes Haus wird gekauft, ein teures Auto und Antons Mutter verschwägert sich mit der Nachbarin. Die Jungen wechseln die Schule und Anton bemerkt, das Dilip ziemlich unglücklich ist. Der Junge ist einfach unterfordert. Seine Adoptiveltern haben dafür keinen Blick, denn sie sich mit ihren neuen Aufgaben beschäftigt.

Der einzig Normale in der Familie, so erscheint es Anton, ist Opa Gert. Er sammelt leidenschaftlich gern Schrott und formt kunstvolle Figuren aus den Abfällen der anderen. Sein Sohn ist davon kaum begeistert.

Eins ist klar, Dilip benötigt geistiges Futter und Anton denkt sich etwas aus.

Salah Naoura schreibt herrlich trockene Dialoge und abgedrehte Geschichten, die so leicht erzählt wie unmöglich scheinen, das sie schon wieder wahrscheinlich sein könnten.
Anton kann sich gut von den Erwartungen seines Vaters abgrenzen, denn auch er hat so seine Fehler, die er jedoch nie zugeben würde.
Dilip und Anton könnten nicht unterschiedlicher sein, so steht der eine eher auf wissenschaftliche Fragen und Fakten und der andere fabuliert Geschichten und lässt seine Fantasie spielen. Beide Talente haben bei Salah Naoura den gleichen Stellenwert, auch wenn Antons Vater da anderer Meinung wäre.
Die Erwachsenen kommen beim Berliner Autor nicht gut weg, außer Opa Gert.

Wer sich die ungewöhnliche Geschichte von Dilip und Anton vom Autor vorlesen lassen möchte, kann das tun. Das Hörbuch erscheint bei Oetinger audio.