A.J. Betts: Die Unwahrscheinlichkeit von Liebe, Aus dem australischen Englisch von Katharina Diestelmeier und Anja Malich, S. Fischer Verlag, KJB, Frankfurt a.M. 2014, 336 Seiten, €14,99, 978-3-596-85661-9
„Zac: chemo.steroide. zu wenig sonne.
Mia: dann wirst du nicht sterben?
Das letzte Wort auf dem Bildschirm springt mich förmlich an. Alle anderen hier vermeiden es wie die Pest.
Zac: nein.
Mia: gut.“
Schaut man sich in der aktuellen Kinder- und Jugendliteratur um, dann drehen sich viele Geschichten um beschädigte Leben junger Menschen. Tod und Krankheit sind überall auf eine erschreckend normale Art und Weise gegenwärtig. Geschwister sind gestorben und beeinflussen die Identitätsfindung der Nachkommen, z.B. in den neuen Büchern des neuen Magellan Verlages „Bird und ich und der Sommer, in dem ich fliegen lernte“ von Crystal Chan und in „Glücksdrachenzeit“ von Katrin Zipse.
In „Der Sommer als Chad ging und Daisy kam“ ( Carlsen Verlag ) von Jennifer Gooch Hummer setzt sich die Protagonistin ebenfalls mit dem langsamen Tod eines Aidskranken auseinander. Eine Mutter stirbt bei der Geburt ihres Kindes, die Tochter kommt mit dem Schmerz und der Anwesenheit der Halbschwester in Clare Furniss‘ Jugendroman „Das Jahr, nachdem die Welt stehenblieb“ ( Carl Hanser Verlag ) nicht klar. Und so könnte man noch viele aktuelle Beispiele aufzählen. Allerdings begann dieser Trend in der Literatur für junge Leser nicht mit Julien Greens enorm gepuschten Roman „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“. Sally Nicholls hatte mit ihrem Roman„Wie man unsterblich wird“ bereits das Terrain vorbereitet.
Und nun erscheint von der australischen Autorin A. J. Betts „Die Unwahrscheinlichkeit von Liebe“. In einem Brief an die Leser glaubt sie erklären zu müssen, dass sie die Idee zu ihrem eigenen Buch über zwei krebskranke Jugendliche schon vor Erscheinen von „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“ hatte und die Geschichte von Zac und Mia auch in eine ganz andere Richtung geht als die von Greens totkrankem Liebespaar.
Der 17-jährige Zac, aus seiner Perspektive wird zum größten Teil erzählt, liegt nach einer Knochenmarkstransplantation wie ein Gefangener in seinem Zimmer in Perth. Akribisch recherchiert er bei Google alle möglichen Todesarten und Statistiken über Krebskranke. In einer Zeit, in der man die Welt erkunden will, sich von den Eltern emanzipieren, teilt seine Mutter das Zimmer mit ihm, vertreibt ihm die Stunden und sorgt für die Kontakte zur Außenwelt. Zac fühlt sich nach seinem Rückfall äußerlich abstoßend und witzelt über sich als „menschgewordener Puffreis“.
Mia, das junge Mädchen, das im Nebenzimmer eingezogen ist, kämpft hysterisch gegen alle, die ihr zunahe kommen. Sie streitet mit der Mutter, schreit die Krankenschwestern an, dreht die Popmusik laut auf und schlägt um sich. Wenn Zac auf ihre Website bei Facebook schaut, dann scheint ihr Leben in Ordnung zu sein. Nichts deutet auf eine Krankheit hin. Langsam, erst über Klopfzeichen, dann über Mails und Telefonate, nähern sich die beiden Jugendlichen an, indem Zac Mia, der nach der Chemotherapie langsam die Haare ausfallen, Mut zuspricht.
Zac kann das Krankenhaus verlassen und sich auf der Olivenfarm seiner Eltern erholen.
Der Blickwinkel wechselt und Mia rückt in den Mittelpunkt. Sie befindet sich auf der Flucht vor ihrer Mutter, ihrem vergangenen Leben – allerdings auf Krücken.
„Wie ist es möglich, dass ich mit siebzehn alt genug bin zum Autofahren, Sex haben und heiraten, aber nicht alt genug, um zu entscheiden, was mit meinem Körper geschieht?“
Trotz ihrer Lügen ahnt der Leser, was mit ihr geschehen ist. Ihre Mutter hat, da sie noch minderjährig ist, einer Operation zugestimmt, in der ihr ein halbes Bein abgenommen wurde. Mia, die inzwischen ihren Facebook-Account gelöscht hat, sucht ihre Freundinnen auf und beklaut sie. Verzweifelt reist sie mit dem Bus Richtung Süden und findet Zac. Von ihm fordert sie Geld, denn er hat sie, was ihre Krankheit angeht, eindeutig belogen. Aber Mia kann ihr Lügengebäude nicht lang aufrecht erhalten. Die Qual, dass sie ihre Eigenständigkeit verloren hat, und nicht mehr die „Hübsche“ ist, die sie immer war, zerreißt sie innerlich.
„Ich will jeden schlagen, der es wagt, glücklich zu sein.“
Aber durch Zacs Einfluss findet Mia langsam zu sich selbst. Sie kehrt zur Mutter zurück und wundert sich, dass sie nichts mehr von Zac hört.
Er schreibt ihr Karten von Urlauben, bis sie dahinterkommt, dass Zac einen Rückfall erlitten hat. Nun ist sie für ihn da.
Nichts wird in diesem Jugendroman verschwiegen, weder die Qualen des körperlichen Verfalls, das Ausgeschlossensein aus dem normalen Alltag, noch die Angst der Angehörigen. Keine laxe Ironie nimmt der lebensbedrohlichen Krankheit ihre Ernsthaftigkeit. Vielmehr sind es die ehrlichen und ausgelebten Gefühle der beiden Hauptfiguren, die den Roman so lesenswert machen und überzeugen.
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