Heinrich Steinfest: Die Möbel des Teufels, Frau Wolf und Cheng ermitteln, Piper Verlag, München 2021, 430 Seiten, €16,00, 978-3-492-06315-9
„Und war dieser Mund irgendwie in seine Gedächtnis eingesickert. Ein Mund, wie der des Mannes auf dem Foto. Ein Mann, der elf Jahre vor Einsturz der Brücke einen Roman über ebendieses Unglück geschrieben hatte. Das mochte bizarr klingen, erfunden, fantastisch, lächerlich, aber es war nicht unlogisch. Die Teile griffen ineinander.“
Alles beginnt im Dezember 2019. Die Covid19 – Krise ist nicht weit.
Leo Pranger kehrt nach vierundvierzig Jahren Abwesenheit nach Wien zurück. Auf abenteuerliche Weise gelangte er einst durch die Hilfe eines Hais auf eine Südpazifikinsel. Dort hat er dann gearbeitet und ist sogar reich geworden. Kurz bevor er jedoch Österreich 1976 verlassen hat, nicht um sich umzubringen, trotz Todessehnsucht, hielt er per Zufall seine Kamera auf die Wiener Reichsbrücke. Dass diese in dem Moment in die Luft flog, konnte er nicht ahnen. Den Film in der Super-8-Kamera hat er nie entwickeln lassen. Seltsam war, dass offiziell fünf Personen an diesem morgendlichen schrecklichen Unfall beteiligt waren, angeblich Materialermüdung, Leo Pranger aber sechs Personen gesehen hat.
Leo Prangers Rückkehr nach all den Jahren, hat mit dem gewaltsamen Tod seiner Schwester Eva zu tun. Zwölf grässliche Messerstiche haben sie in ihrer Wohnung vom Leben zum Tode befördert. Die Geschwister verbindet eine langsame Erblindung. Warum die Schwester so enden musste, bewegt nun den Bruder. Zuerst denkt Leo, dass Evas Ermordung mit ihrer Arbeit als ehemalige Stenografin fürs Parlament zu tun hat. Immerhin findet man auf ihren Fußsohlen eigenartige Hinweise, die nur der Bruder verstehen kann. In den Kreis der Verdächtigen gerät auch der dubiose Nestor Ihring, für den Eva nach der Pensionierung noch gearbeitet hat.
Als Leo in ihrer Wohnung, nach einem eindeutig provozierten Autounfall und einem Vierteljahr im Krankenhaus, die Bücher durchstöbert, findet er „Die Möbel des Teufels“, eine Ausgabe ohne Nennung des Autors. Als er den Roman in die Hand nimmt, dessen Handlung und Entstehungszeit im Jahr 1965 datiert wird, kann er nicht fassen, was er da liest. Es ist die Geschichte eines Mannes, der eine Tochter hat. Sie wird entführt und die Männer, die das Kind in ihrer Gewalt haben, wollen, dass der Held des Romans die Wiener Reichsbrücke durch zwei Sprengstoffkoffer in die Luft jagt.
Er ist bereit dazu, aber er sucht sich nicht den Montagmorgen aus, sondern den Sonntag und er wird sich selbst bei dem Attentat töten. Leo beschließt nun, den alten Film in der Super-8-Kamera entwickeln zu lassen. Seltsamerweise sieht er im alten schwarz-weiß Film ein Kind, dass er 1976 gar nicht bemerkt hatte. Ganz in Gedanken bemerkt Leo dann ein Schild und nimmt endlich auf Seite 174 Kontakt zur Detektei Wolf auf. Frau Wolf, deren Assistent nun Herr Cheng ist, soll für Leo herausfinden, wer eigentlich der Autor des ominösen Romans „Die Möbel des Teufels“ sind.
Sie wird natürlich fündig und per Videokonferenz hört Leo die Geschichte des Autors von seiner
Enkelin, die ihn nie kennengelernt hat. Julia Kubetzky ist mit ihren drei Kindern durch die Corona-Zeit völlig mittellos und Leo wird hier ein gutes Werk tun.
Aber Frau Wolf und Cheng werden Leo auch bei der Aufdeckung des Mordfalls der Schwester Eva helfen.
Heinrich Steinfest hat als belesener Autor offenbar in der erzwungenen Stille vieles gelernt, u.a. „Qigong, nicht zuletzt als Ausdruck einer konzentrierten Form von Isolation, eine Bewegungstechnik, die nicht mehr Raum benötigt als die Länge eines Schritts“, wie er in einem Interview verriet.
Skurril, voller Geheimnisse und vielen ausführlichen Spaziergängen durch Wien mäandert die Handlung von einem Ort zum anderen, von einem Rätsel zum nächsten und hält den Leser und die Leserin in Atem. Wie banal dann das Leben und der Tod, keine andere Stadt als Wien wird das verstehen, sind, entdecken die Detektivin und Leo auf schmerzliche Weise.
In diesem Roman mit extrem kleiner Schrift geht es um Verschwörungen, Teufel und Verdammnis, eine Zauberformel für Künstliche Intelligenz, eine innige trotz Trennung Geschwisterbeziehung und Literatur, die die Wirklichkeit einholt.