Eireann Corrigan: Die Komplizin, Aus dem Englischen von Barbara Abedi, Chicken House, Hamburg 2011, 304 Seiten, €13,95, 978-3-551-52025-8

„ Wenn ich heute noch einmal die Gelegenheit hätte, wenn die ganze Welt mir noch einmal Beachtung schenken würde, dann würde ich meine eigene Pressekonferenz einberufen.“

Das resümiert Finn nach qualvollen Tagen, an denen Polizei und Freiwillige nach Chloe, „der Königin des Charmes“, suchen. Ein See wird trocken gelegt, der Wald durchkämmt und an der Colt River Highschool Personal aufgestockt, um die Schüler zu begleiten. Wurde die beliebte und gut aussehende Schülerin aus dem beschaulichen und gut situierten Colt River in New Jersey entführt, ist sie weggelaufen, hatte sie einen Unfall und findet nicht mehr nach Hause?
Finn, ihr Freundin, Komplizin und Ich-Erzählerin, ist eingeweiht, denn beide Mädchen haben die Geschichte von Chloes Entführung bis ins kleinste Detail geplant und inszeniert. Chloe sitzt nun im Haus von Finns Großmutter im Keller, stopft sich mit Süßigkeiten voll und schaut sich im Regionalfernsehen ihr Foto mit dem Lämmchen an. Nachdem Chloe die Entführung einer Mitschülerin verfolgte, reifte die Idee unaufhaltsam. Nur mit einer aufregenden Story für die College-Bewerbung hätten die beiden Mädchen, Chloe als plötzlich Gerettete und Finn als Entdeckerin, ein Chance. Außerdem dachten die Mädchen, sie könnten die Medien hereinlegen und sich köstlich amüsieren.

Über den Schmerz der Eltern oder Mitschüler haben die beiden offenbar nie nachgedacht. Im Gegenteil, die Anteilnahme und Betroffenheit ihrer Klassenkameraden halten sie sowieso für nicht echt.
Als Chloe dann von einem Ausritt nicht mehr zurückkehrt, beginnt das Drama. Finn spielt die verängstigte, besorgte Freundin und muss mit ansehen, wie die Eltern von Chloe leiden. Die Mädchen wohnen auf angrenzenden Farmen und kannten sich über einen langen Zeitraum. Auch wenn ihre Eltern sehr verschieden sind, stand man in Kontakt. Nun rücken alle zusammen und Finn erkennt nach und nach wie falsch ihre wohl durchdachten Pläne sind. Sie zweifelt daran, dass beide Mädchen groß rauskommen werden, wenn die sogenannte Entführung ( ohne Täter ) erstmal publik geworden ist.
Nicht auszudenken, was alle denken würden, wenn die Wahrheit ans Licht käme.
Die Medien stürzen sich auf den Fall von dem verschwundenen, schönen Mädchen und Chloe genießt in ihrem Keller ihre kurzzeitige Berühmtheit. Als die Polizei die blutige Kleidung von Chloe im Auto des Mitschülers Dean West findet, wird er wegen Mordverdachts verhaftet. Finn will sofort alles abblasen, um Dean aus seiner Lage zu befreien.

Chloe jedoch kann sich aus ihrer Rolle nicht lösen, sie nimmt Deans Ächtung durch die Gemeinschaft in Kauf. Und sie droht Finn an, dass sie ihr alle Schuld zuschieben wird, wenn sie den gemeinsamen Plan verrät.
Die Frage ist nun, wie Chloe mit einer glaubhaften Geschichte zu ihren Eltern zurückkehren kann.

Die amerikanische Autorin Eireann Corrigan zeichnet in ihrem Jugendroman ein Bild von einer rücksichtslosen, wie emotionslosen, jungen Generation, die sich im Zuge der Leistungserwartungen so unter Druck gesetzt fühlt, dass sie zu unlauteren Mitteln greift. Der Gedanke, über ein Drama Berühmtheit zu erlangen, scheint den Mädchen zu Beginn völlig legitim. Ja, sie halten sich auch noch für clever.

Aus Finns Sicht wird nun der Wandlungsprozess dargestellt, den sie innerlich vollzieht. Nah am Geschehen könnte Finn den absurden Plan noch beenden, doch sie hat nicht mit Chloes starkem Willen und der Erkenntnis, wie fremd sie einander doch sind, gerechnet.