Beverly Jensen: Die Hummerschwestern, Aus dem Amerikanischen von Beate Brammertz, Verlag btb, München 2012, 480 Seiten, €19,99, 978-3-442-75331-4
„So wurden auch die Menschen, dachte Idella, wenn sie ihr ganzes Leben dort oben verbrachten – krumm, knorrig und hart, an dem Ort verwurzelt.“
1916 – Hoch oben an der steilen Küste steht das Haus der armen Familie Hillock im kanadischen New Brunswick. Idella, 7 Jahre alt und Avis, fünf, tragen die Kleider ihrer zahlreichen Cousinen auf. Hart ist die Arbeit auf den Kartoffelfeldern, die der jähzornige Vater Bill verrichten muss. Er trinkt, flucht und wütet gern gegen sein ältestes Kind, den introvertierten Dalton, der am liebsten nach seinen Hummerfallen sieht.
Nah sind sich die so verschiedenen Schwester, Idella sucht oft den Ausgleich, die impulsive, eigensinnige Avis die Konfrontation. Wieder ist die geliebte Mutter schwanger. Alles geht gut, Emma heißt das Neugeborene. Aber dann treten Komplikationen auf, die Mutter stirbt. Offenbar hat der Doktor die Tabletten vertauscht, doch die Nachbarinnen ahnen es und schweigen. Bis zu seinem Tod wird der erschütterte Bill um seine Frau trauern.
Mit dem Tod der Mutter ändert sich auch das raue Leben der Mädchen, die nun bei Onkel und Tante in Maine aufwachsen und zur Schule gehen können. Vom Vater zurückbeordert, müssen die beiden ihn pflegen, da er sich bei einem Jagdunfall verletzt hat. Idella hält die lieblose, vom Alkohol bestimmte Atmosphäre beim Vater, der nur Angst verbreitet, nicht mehr aus und sucht sich ihren eigenen Weg als Köchin in Boston. Trotz vieler Spannungen zwischen den Schwestern bleiben sie eng in Verbindung, auch als Avis, die wie der Vater dem Alkohol verfallen ist, wegen Betrug im Gefängnis landet.
Mit ihrer Tüchtigkeit kann Idella ihre Arbeitgeber, ob als Dienstmädchen oder Köchin überzeugen. Doch sie fühlt sich nicht als Frau, ist groß, hager und unsicher. Als sie Eddie Jensen, ihrem späteren Mann begegnet, kann er sie mit seinem guten Aussehen schnell überzeugen. Zeitig früh stellt sich allerdings in der Ehe heraus, dass er einen labilen Charakter besitzt und lieber anderen Frauen hinterherschaut. Und Idella darf dann auch noch nach dem Tod des gutmütigen Schwiegervaters die bösartige, offenbar verwirrte wie dümmliche Mutter von Eddie in den Haushalt aufnehmen und bedienen.
Aber Idella schafft sich ihre eigenen Rückzugsmöglichkeiten und eröffnet mit viel Fleiß einen kleinen Lebensmittelladen.
Unspektakulär, mit allen Höhen und Tiefen, zieht es vorbei das Leben der Hummerschwestern Idella und Avis, die sich nie aus den Augen verlieren und doch so verschieden sind. Atmosphärisch dicht und szenisch überzeugend erzählt Beverly Jensen von ihren so lebendig wirkenden Figuren, denen nichts erspart bleibt und die sich doch treu bleiben.
Immer wieder die Erzählperspektiven wechselnd begleitet Beverly Jensen in ihrem Debütroman, ihre Figuren, sie erzählt die Geschichte ihrer Mutter und Tante, bis ins Jahr 1987. Das Erscheinen des Romans hat Beverly Jensen, sie starb mit 49 Jahren an Krebs, nicht mehr erlebt.
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