Cilla & Rolf Börjlind: Die dritte Stimme, Aus dem Schwedischen von Christel Hildebrandt, btb Verlag, München 2014, 544 Seiten, €19,99, 978-3-442-75394-9

„Ich war es nicht, die dein Leben zerstört hat. Olivia spürte, wie Wut in ihr aufstieg. Es waren ein paar widerliche Männer, die es zerstört haben.“

Vor 25 Jahren kam Olivia Rönnings Mutter in der Springflut um. Aus dem toten Körper wurde ein Kind geborgen, Olivia. Auf den Spuren der Vergangenheit ist Olivia durch Südamerika gereist und will sich nun in Rivera umbenennen und nicht mehr Polizistin sein, trotz absolvierter Ausbildung, sondern Kunstgeschichte studieren. Aber dann holt sie ihre Berufung doch ein und der Zufall. Nach ihrer Rückkehr wohnt Olivia bei ihrer Adoptivmutter Maria und in unmittelbarer Nähe der Wohnung geschieht ein tragischer Selbstmord. Bengt Sahlmann hat sich erhängt und seine Tochter Sandra, früher war Olivia ihr Babysitter, findet ihn. Olivia und Maria kommen hinzu und nehmen Sandra bis ihre Tante aus Kopenhagen anreist mit zu sich nach Hause. Als Sandra Olivia um den Laptop bittet, der noch in der Wohnung sein soll, beginnen die Zweifel, ob Bengt sich wirklich selbst getötet hat. In der Wohnung liegen noch die Einkäufe, um die Sandra ihren Vater gebeten hat. Warum sollte er sich umbringen, wenn er mit seiner Tochter kochen wollte? Wo ist der Laptop? Hat ihn jemand mitgehen lassen? Bengt Sahlmann arbeitete als Zollbeamter. In seiner Abteilung ist eine bestimmte Drogenmenge verschwunden. Olivia begibt sich auf die Suche nach dem Laptop und geht zu Sahlmanns Arbeitsstelle. Hier trifft sie seine Kollegin Gabriella Forsman und plaudert aus, das es sich nicht mehr um Selbstmord handelt, sondern wie die Polizei ermittelt hat, um Mord.
Diese Information hätte Olivia nicht weitergeben dürfen und zieht sich nun den Zorn der Leiterin des Landeskriminalamtes, Mette Olsäter, zu. Eigentlich sind beide Frauen sich sehr vertraut und doch ist Mette verärgert über Olivias neue Studienpläne, denn sie hält sie für eine gute Polizistin.

Parallel zu dieser ersten Geschichte erzählt das Krimiduo eine zweite. Auch hier ermittelt ein Polizist, der keiner mehr sein will. Kriminalkommissar Tom Stilton hat fünf Jahre als Obdachloser auf der Straße gelebt. Auslöser dieses sonderbaren Lebenswandels war eine Psychose, ein Burnout und die bösartigen Verleumdungen des Kollegen Rune Forss. Stilton hat nur noch Rache im Sinn, jetzt wo er endlich wieder obenauf ist und Forss‘ Verbindung zur Prostituiertenszene nachweisen könnte, bittet sein Freund Abbas ihn um Hilfe. Stilton soll ihn nach Marseille begleiten, denn hier wurde eine zerstückelte Frauenleiche gefunden. Abbas kannte die Tote, Samira Villon. Sie war die blinde Frau seines Meisters beim Zirkus, von dem er das Messerwerfen erlernt hat. Abbas hat Samira geliebt und aus den Augen verloren. Mit einigen unlauteren Mitteln gelangt Abbas an den Namen des möglichen Mörders, Mickey Leigh, ein englischer Pornodarsteller, genannt der Stier. Er befindet sich längst nicht mehr in Frankreich, sondern ist in Schweden untergetaucht.
Auch wenn Mette Olivia ermahnt hat, setzt diese für Sandra ihre Ermittlungen fort.
Sandra, deren Mutter bei einem Tsunami verstorben ist, fühlt sich von Olivia verstanden, denn auch sie hat beide Eltern auf tragische Weise verloren.
Angeblich hatte Sahlmann, das erfährt Olivia von einem Journalisten, brisantes Material über ein Pflegeheim in Nacka gesammelt. Hier ist der Vater von Bengt Sahlmann unter mysteriösen Umständen gestorben. Die Albions – Gruppe ist für das Pflegeheim zuständig und der Inhaber der Firma, Jean Borell, ein Jugendfreund von Bengt.

Als Olivia Borell zu einem vermeintlichen Interview in seinem Haus trifft, entdeckt sie den Laptop von Bengt. Sie bricht im Haus ein, um ihn an sich zu nehmen, wird von Borell entdeckt und beinahe umgebracht, wäre Tom Stilton nicht zur Stelle. Dieser kehrt zu Borells Haus zurück, um das Beweismaterial sicherzustellen. Aber in der Zwischenzeit wurde Borell ermordet. Als die Polizei dann auf den Spuren nach Mickey Leigh seine Tasche findet, taucht auch der Laptop von Bengt auf. Sie machen einen grausigen Fund und entdecken einen bestellten Pornofilm im Netz. Die Frau, die zu sexuellen Handlungen live vor Publikum bedrängt und ermordet wird, ist keine andere als Semira. Drei Stimmen sind auf dem Film zu hören. Zwei kann Mette schnell erkennen, nur die dritte bleibt ein Rätsel.

Unglaublich komplex und vor allem hervorragend komponiert ist diese doppelbödige Kriminalgeschichte, die mehrere Handlungsebenen glaubwürdig verbindet. Wie im ersten Band „Die Springflut“ verknüpfen die beiden schwedischen Autoren treffende Gesellschaftskritik, ob es nun um die vernetzte Pornoindustrie oder den unwürdigen Umgang mit alten Menschen in staatlich verwalteten Pflegeheimen geht, aber auch Privatleben und polizeiliche Ermittlungsarbeit ihrer widersprüchlichen Figuren.

Die Autoren halten ihre Leser mit schnellen Szenen- und Perspektivenwechsel in Atem und bauen auf die Sympathie für ihre lebendigen und vom Schicksal gebeutelten Hauptfiguren.
(