Peter Mohlin & Peter Nyström: Die andere Schwester, Aus dem Schwedischen von Ursel Allenstein und Max Stadler, HarperCollins Verlag, Hamburg 2022, 384 Seiten, €22,00, 978-3-7499-0364-1
„Es war wirklich die Polizei, die hier eingebrochen war. Oder besser gesagt: ein Polizist. Der Mann, der ihr die Nachricht von Stellas Tod überbracht und den sie bei dem Volvo auf der Hammarö gesehen hatte. Alicia verstand nicht, was hier los war. Was machte er bei Stellas großer Vitrine?“
Wer den Vorgängerroman „Der andere Sohn“ gelesen hat, kann sich vielleicht schneller in die doch nicht ganz einfache Geschichte um den ehemaligen FBI – Agenten John Adderley einlesen, der sich undercover in die nigerianische Drogenmafia in Baltimore einschleusen ließ und den Anführer vor Gericht gebracht hatte. Dieser schwor natürlich Rache. Es dauert gar nicht lang und der Zeugenschutz von John Adderley, der nun als Ermittler im schwedischen Karlstadt im Värmland arbeitet, ist aufgeflogen. Bis zu seinem zwölften Lebensjahr hatte John in Karlstadt gelebt und beherrscht somit auch die Landessprache. Hier nennt er sich Frederik Adamsson.
Trevor, sein ehemaliger Kumpel, angeblich schwer krebskrank, hatte Kontakt aufgenommen und John hat den Fehler begangen, zu antworten. Mit Trevor beobachten nun die Hintermänner der Drogenmafia den Polizisten und klar ist, dass er auf ihrer Abschussliste steht. Allerdings hat John eine Lebensversicherung, die die Schläger aus ihm oder Trevor herausprügeln könnten. Oder sie entführen die Tochter von Johns ermordetem Bruder Billy, die bei Pflegeeltern untergebracht ist und nicht weiß, dass John ihr Onkel ist.
Parallel zu dieser Geschichte läuft ein aktueller Fall, den John übernommen hat.
Ermordet wurde die oft angefeindete Stella Bjelke, eine erfolgreiche, skrupellose Unternehmerin, die eine Dating-Plattform auf den Markt gebracht hat, die falsche Informationen der Nutzer von vornherein unterbindet. Der geistige Kopf hinter dieser App ist ihre Schwester Alicia, die durch einen Unfall in ihrer Kindheit körperlich entstellt ist. Zwischen den Schwestern herrscht eine seltsame Abhängigkeit, denn die Narben im Gesicht, am Kopf und am Hals hat Stella ihrer zehnjährigen Schwester aus Eifersucht beigebracht, indem sie heißes Nudelwasser absichtlich verschüttet hat.
Doch nun ist Stella tot und erstaunlich ist ein Detail, denn der Täter hat ihr Säure ins Gesicht geschüttet. Doch der Schuldige, ein gewisser Birger Falk, den auch Alicia kennt, ist schnell ermittelt. Alles geht auf die Geschehnisse vor acht Jahren zurück, an die sich Alicia erinnert.
Aus Angst vor Falk tötet Alicia diesen in Notwehr, als er Kontakt zu ihr aufnimmt.
Alicia, das muss gesagt werden, ist hart im Nehmen, sie trinkt, schläft auch mit Männern, die sie abschleppt, leidet unter ihrer Entstellung und ist hochbegabt. Witzig innerhalb der Handlung ist die Darstellung des Vorgesetzten von John, Ruben. Er möchte alles richtig machen und für, sehr schwedisch, flache Hierarchien sorgen. Was ihm leider nicht gelingt und auch seinen Posten kosten wird.
John versucht nun, und hier wird es kompliziert, seine Probleme mit dem nigerianischen Kartell, mit dem Fall zu vermischen. Als Alicia ihn in der Wohnung ihrer Schwester sieht, kommen ihr Zweifel.
Spannend, und vor allem atemberaubend gut geschrieben, lässt die Handlung dieses Krimis den Lesenden keine Zeit zum Nachdenken, denn zu viele Handlungsstränge gehen ineinander über und verpasst man einen, dann fehlt der Zusammenhang.
Differenziert und lebendig dargestellt sind die einzelnen Figuren, die die beiden schwedischen Autoren für ihren Krimi entworfen haben. Sie balancieren immer am Rand ihrer Existenz und könnten jederzeit abstürzen. Und hier setzt die Spannung ein und endet erst auf der letzten Seite.