Robert Galbraith: Der Seidenspinner, Random House Audio, Ungekürzte Lesung, Gelesen von Dietmar Wunder, 3 MP3-CDs, 996 Minuten, €24,99, 978-3-8371-2861-1

„Dieser Mord …. wurde monate – wenn nicht jahrelang geplant. An sich ein Geniestreich, aber letztendlich viel zu verkünstelt. Und genau darum wird alles auffliegen. Man kann einen Mord nicht wie einen Roman planen. Im wahren Leben bleiben immer offene Fragen.“

Wieder ein London-Krimi von J.K. Rowling mit dem ehemaligen, einbeinigen und hochdekorierten Afghanistan-Kämpfer, der wie ein „Preisboxer“ ausschaut und unheimlich gern isst, Cormoran Strike, und seiner ambitionierten Sekretärin Robin.

Mittlerweile gut im Privatdetektivgeschäft etabliert, sitzt eines Tages im Dezember eine eher mausgraue, ältere Frau namens Leonora Quine in Strikes Büro. Sie vermisst ihren Ehegatten, der zwar ab und zu mal verschwindet, aber dann nach einer gewissen Zeit doch wieder auftaucht. Die Rede ist von dem Schriftsteller Owen Quine, dessen Name allerdings niemandem etwas sagt.
Kürzlich hatte er seiner Literaturagentin sein neuestes Werk „Bombyx mori“ geschickt und diese hatte aufgrund einer Erkrankung das Werk kaum richtig gelesen und an einen Verlag weitergeleitet. In der Übersetzung heißt der Roman „Der Seidenspinner“ und ist ein süffisantes Schlüsselwerk, das viele unangenehme Wahrheiten über bekannte Leute aus der Verlagsbranche offenlegt. Nach einem heftigen öffentlichen Streit in einem angesagten Restaurant zwischen Literaturagentin und Autor, ist dieser wie vom Erdboden verschluckt. Strike lernt nun nach und nach Quines Lektor, Verlagsleiter und noch andere ominöse Gestalten aus der Szene, u.a. Quines Geliebte, die jedoch ihre Romane im Eigenverlag herausbringt, kennen. Quine ist ein selbstverliebter, korpulenter Mann, der sich gern frauenfeindlich äußert, schmuddelige, groteske Sexszenen schreibt und vorgibt sich nie an Normen halten zu müssen.

Als dann Quines unglaublich grausam hingerichtete Leiche entdeckt wird, bleibt Strike an Leonora Quines Seite, denn die Polizei verdächtigt ziemlich schnell die Ehefrau des Toten. Allerdings hat Leonora die Seitensprünge ihres Mannes immer toleriert, auch weil sie eine gemeinsame erwachsene, aber geistig zurückgebliebene Tochter, die er über alles liebt, haben. Warum sollte sie ihn nun fesseln, erschlagen, dann aufschlitzen, um die Organe zu entnehmen und den Rest des Körpers mit Säure übergießen?

Pikanterweise steht genau diese Tötungsart in „Bombyx mori“ und Strike ahnt schnell, dass der gefährliche Mörder einer der ersten gewesen sein muss, der das Manuskript gelesen hat. Und der Täter muss über medizinische und chemische Kenntnisse verfügen.

Strikes Arbeit kollidiert nun gelegentlich mit den Ermittlungsarbeiten der Polizei, aber das stört den sympathischen Detektiv wenig. Ärgerlich sind da eher die Kälte und der Schnee. Wie nie zuvor ist Strike auf Robin angewiesen, denn er hat Schmerzen in seinem angeschwollenen Knie. Robin jedoch fühlt sich immer mehr an den Sektretärinnenstuhl gekettet. Hinzu kommt noch, dass ihr Verlobter Matthew über wenig Vorstellungsvermögen verfügt, Strike und somit Robins Arbeit nicht mag und unsouverän auf Robins Chef beim ersten Treffen reagiert.

J.K.Rowling erzählt diesen neuen Fall über Rache, Hass, Liebe, Verrat, Peinlichkeiten, Eitelkeiten und Vertuschungsaktionen ziemlich ausufernd und stellenweise auch zäh, dabei ist die Geschichte akribisch genau konstruiert. Da J.K.Rowling den Literaturmarkt einst geschickt beherrschte und nun als gefeierte Autorin sich keiner Kritik mehr aussetzen müsste, scheint es ihr eine diebische Freude zu bereiten, über die Literaturmacher herzuziehen. Da ist der schnell betrunkene Lektor von Quine, die burschikose Literaturagentin, die nicht schreiben kann, aber auch der Verleger mit reichlich privatem Kapital in der Hinterhand oder der einstige arrogante Schriftsteller-Freund von Quine, in dessen gemeinsamem Haus der Tote dann auch gefunden wird. Owen Quine, der immer die große Bühne oder den medialen Skandal gesucht hatte, wird beides nun postum wie unfreiwillig bekommen.

Nach 16 Stunden und 36 Minuten ist der Fall gelöst. Der Schauspieler Dietmar Wunder arbeitet mit seinem Gespür für Menschen, ihre Schwächen und Stärken, und seiner sonoren, wandlungsfähigen Stimme alle erzählerischen Stärken dieses Romans, wie die Komik der extrem versponnenen Handlung heraus. Er gibt jeder Figur ihre ganz eigene Stimme und hält die Spannung bis zum Ende aufrecht.