Christophe Carlier: Der Mörder mit dem grünen Apfel, Aus dem Französischen von Holger Fock und Sabine Müller, Deutscher Taschenbuch Verlag premium, München 2014, 159 Seiten, €14,90, 978-3-423-26027-5
„Ich hatte schon immer jemanden töten wollen. Um die Tat zu vollbringen, hatte mir einfach nur die Begegnung mit ihr gefehlt.“
Zwei Menschen treffen sich im Hotel Paradise in Paris, ein Engländer, der französische Sprache und Literatur in den USA lehrt und eine Italienerin, die sich zu geschäftlichen Terminen im Modebereich in der Stadt aufhält. Craig, der scharfzüngige Zyniker, dessen Name klingt wie „das Geräusch beim Zertreten einer Schnecke“ lernt die attraktive Elena kennen, nachdem sie unfreiwillig sein Gespräch in der Hotelbar mit einem wild gestikulierenden, laut sprechenden Industriellen aus Parma mitanhören muss. Arturo Rapanazzi erzählt Craig ganz unbefangen, einem Fremden wohlgemerkt, dass er seit drei Jahren ein Doppelleben führt. Zu Hause wohnt seine nichts ahnende Frau mit zwei Kindern, dann hat er eine Geliebte, die ebenfalls ein Kind mit ihm hat und nun hat er noch eine junge Frau kennengelernt, die ebenfalls schwanger von ihm ist. Keine Frage, das wird anstrengend. Die empörte Elena verzieht ihr Gesicht demonstrativ und Craig kann es nicht lassen, sie beim Frühstück am Tag danach anzusprechen.
Die Fremdheit und die Anonymität des Hotels bringt Menschen zusammen, die sich der Auszeit vom wirklichen Leben in langweiligen Beziehungen, müden Ehen und der Tretmühle des Alltags bewusst sind.
Christophe Carlier erzählt die Ereignisse einer Woche aus den Blickwinkeln von Craig, Elena und zwei Hotelangestellten, Sébastian und Amélie. \r\nEinen Tag später ist der Don Juan aus Parma tot, ermordet und das sogar dreifach: erschlagen, erstochen und erstickt. Amélie findet die Leiche und stellt fest, das nichts gestohlen wurde. Ein Mord aus Leidenschaft? Viel simpler, der genervte Craig konnte das Gequassel des Fremden auf dem Hotelflur nicht mehr ertragen, er hat den 48-jährigen Italiener ins Zimmer gestoßen und getötet. Einfach so, ohne Gewissensbisse oder Skrupel. Niemand wird ihn verdächtigen, nur Sébastian hat so seine Zweifel.
Dabei hat Craig nur aus wachsender Zuneigung für Elena getötet oder ist das ein Vorwand?
Regelmäßig sehen sich nun die beiden in der Hotelbar und treffen auch noch den Zwillingsbruder des Toten, der lauthals wie sein Bruder über alle herfällt.
Elena überwindet ihre Abneigung und kommt mit dem Landsmann ins Gespräch.
In dem Wissen dem anderen, dem man sich anvertraut, nie wiederzusehen, entspinnt sich zwischen Elena und Craig eine seltsame Vertrautheit, die zu Geschichten über das eigene Leben anregen, die der andere nie in Fragen stellen wird.
In einer eleganten Sprache gewährt der französische Autor Christophe Carlier dem Leser Einblicke ins Innere seiner Figuren. Ihre Gedankengänge, ihre Hoffnungen, ihre Wünsche sind zu hören und die Beobachtungen, die die anderen über sie anstellen.
Und dann liest man so wunderbare Gedanken wie diesen:
„Manchmal ist es sehr angenehm, nichts zu erhoffen. Wenn man über vierzig ist, bringt der Zufall das Leben aus dem Gleichgewicht, statt es aufzubauen.“
Offen bleibt, ob Craig dieses Gewaltverbrechen wirklich verübt hat und ohne es vorwegzunehmen, auch das kuriose Ende der Geschichte spielt wieder mit dem Vorspielen von Identitäten, die nicht überprüfbar sind und dem Schein und Sein, mit dem in bestimmten Situationen wohl jeder gern spielen würde.
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