Christoph Peters: Der Arm des Kraken, Luchterhand Verlag, München 2015, 352 Seite, €19,99, 978-3-630-87320-6

„Ein Vietnamese, der sich mit einem abtrünnigen Japaner und einem Araber gegen seine Landsleute verbündet, hat sein Leben verwirkt. Dafür hätte sie Yuki bezahlt….“

Aber nun wurde er mit Kopfschuss in der Erich-Mühsam-Siedlung im Prenzlauer Berg von Bewohnern, die ihre Hunde ausführen, gefunden. Die Leute kennen die Vietnamesen, die mit ihren illegalen Zigaretten und auch Drogen im Park stehen. Sie wissen von den brutalen Auseinandersetzungen der Vietnamesen-Clans in den 1990er Jahren. Und sie ahnen, warum gerade die Vietnamesen im Osten der Stadt alles übernommen haben, die Blumenläden, den Gemüsehandel und vieles mehr. Albaner, Russen, Serben, Türken, arabische Clans, Italiener und Chinesen wagen sich nicht in ihr Areal. Doch nun ist ein Japaner mit einer auffälligen Tätowierung, einem purpurnen Kraken, aufgetaucht und mausetot.

Die sechsundfünfzigjährige Annegret Bartsch, Kriminalhauptkommissarin fürs Vietnamdezernat, hatte bisher eine ruhige Kugel geschoben, denn wenn mal etwas bei den Vietnamesen geschieht, dann schweigen sowieso alle oder Leute fliegen ein, erledigen das Problem laut- und spurlos und sind auch schon wieder auf dem Weg nach Asien. Annegret ist eher gedanklich mit ihrer Familie beschäftigt. Ihre achtjährige Tochter Lizzy verwandelt sich in einen rosa Mädchenalptraum, der nur von Prinzessinnen träumt und ihr Mann liest Fantasyromane und kritisiert sie für ihren Job. Zu viele Streitereien passieren vor dem Kind.

Und nun dieser Fall, der nach Arbeit aussieht und auch gleich mal an die Mordkommission weitergereicht wird. Aber Annegret kennt ihre Leute im Kiez, und beginnt zu ermitteln. Sie ahnt nicht, dass auch Fumio Onishi herausfinden will, was mit dem Toten, Yuki Ozawa, geschehen ist. Yuki lebte nicht unweit von der Todesstelle in einer teuren Mietwohnung mit schicken Möbeln und technisch allem, was das Herz begehrt. Angeblich hatte er eine Freundin. Aber er war weder an der Uni eingeschrieben, noch ging er einer anderen Tätigkeit nach. Die Vermutung liegt nahe, dass entweder der Vater ihn finanzierte oder die Mafia, die Yakuza.

Onishi spricht Deutsch und weiß, dass Ozawa vor seiner Hinrichtung gefoltert wurde.

Parallel zu Annegret befragt er nun Yukis Kontakte. Er sucht die Freundin auf und den Marrokaner Hassan Shakesh, mit dem Yuki Geschäfte machen wollte. Offensichtlich hatte Yuki vor, Geld zu besorgen, um ein eigenes Unternehmen zu gründen. Aber er hat nicht mit den Rivalitäten zwischen den Vietnamesen gerechnet. Onishi hinterlässt nach seinen Besuchen wahre Blutorgien. Die Berliner Polizei und Politik ist in heller Aufregung, denn alle vermuten erneute fremdenfeindliche Übergriffe. Nach und nach ergibt sich ein mögliches Szenario, was geschehen sein könnte. Onishi besucht auch den besten Sushi-Laden Berlins, den ein Araber führt.

Auch Annegret wird mit ihm sprechen, denn sie hat längst herausgefunden, dass dieser große Japaner im schwarzen Anzug, den sie kurz gesehen hat, hinter den Gewalttaten steckt.

Christoph Peters lässt Annegret in einem Gedankenstrom aus riesig langen Bandwurmsätzen von sich erzählen. Wie es beim Denken passiert, die sich um Privates und Berufliches drehen, geht dabei auch so einiges durcheinander. Onishis Wege durch Berlin werden mit mehr Distanz beschrieben.

Sprachlich exzellent führt der in Berlin lebende Autor den Leser durch die Untiefen des Organisierten Verbrechens, die Hilflosigkeit der Polizei und die Machenschaften der skrupellosen Kriminellen aus aller Welt. Niemand, der diesen Roman gelesen hat, kann wieder ohne Hintergedanken und Vermutungen beim Vietnamesen essen gehen oder einkaufen.

Verwirrend jedoch ist die teilweise Erfindung der Namen von Straßen, Plätzen und Orten in Berlin. Der ortskundige Leser jedoch weiß genau, wo die Geschichte spielt und die berühmte Currywurstbude auf gar keinen Fall Karsunke heißt. Aber das nur nebenbei.

Spannende Unterhaltung auf hohem sprachlichen Niveau, mit Blick in die Mentalitäten verschiedener Völker und einem seltsamen Schluss!