Tayari Jones: Das zweitbeste Leben, Aus dem amerikanischen Englisch von Britt Somann-Jung, Arche Verlag, Zürich-Hamburg 2020, 348 Seiten, €22,00, 978-3-7160-2783-7
„Mein ganzes Leben hatte ich mir eine Schwester gewünscht. Wie oft hatte meine Mutter gesagt, wie leid es ihr tue, dass ich ein Einzelkind war? Das hatte man nun davon, wenn man sich etwas zu sehr wünscht. Das Leben kam mir vor wie ein einziger Schwindel, voller schmutziger Tricks.“
Chaurisse und Dana leben beide im gleichen Ort in Atlanta, sie haben den gleichen schwarzen Vater, aber unterschiedliche schwarze Mütter. Dana weiß, dass ihr Vater, James Witherspoon, ein Bigamist ist. Nachdem er vor 10 Jahren die vierzehnjährige, von ihm schwangere Laverne ( Lavernes erstes Kind, ein Junge, starb nach der Geburt. ) geheiratet hat, trifft er nun als gestandener Unternehmer, er ist Chauffeur und Besitzer einiger Taxis, die lebensfrohe Gwendolyn. Sie hat ihren ersten Mann verlassen und schlägt sich, ihr Vater hat sich von ihr abgewandt, durchs Leben. Fast zeitgleich sind die beiden Frauen von James schwanger.
Vielleicht ist James ein guter Mann, aber er hat dicke Brillengläser, er stottert, wenn er unsicher ist und auch sonst ist er nicht sonderlich attraktiv. Allerdings scheint er, bei der Auswahl seiner Frauen ein Händchen zu haben, denn beide sind ehrgeizig, erlernen Berufe trotz geringer Schulbildung und sind finanziell unabhängig, auch wenn Gwen um jeden Cent für Dana von James tricksen muss. Gwen fühlt sich der „ersten“ Familie von James unterlegen, allerdings hat sie immer gewusst, worauf sie sich einlässt. Zwar heiratet James sie vor einem Friedensrichter, aber klar ist, dass Dana immer ein Geheimnis bleiben soll und James reagiert ungehalten, wenn Gwen oder später Dana auf seine Familienverhältnisse anspielen. Dana wird immer wieder gesagt, sie solle doch froh sein, dass sie überhaupt einen Vater hat. In die Geburtsurkunde jedoch hat sich nicht James eintragen lassen, sondern Onkel Raleigh hat sich als Vater zu erkennen gegeben. Zu gern hätte Raleigh Gwen wirklich geheiratet. Raleigh wurde von James‘ Mutter großgezogen und bei ihm waren alle Geheimnisse gut aufgehoben.
Als Dana älter wird, beginnen Mutter und Tochter mit ihren sogenannte Beobachtungstouren. Sie schauen sich die „Konkurrenz“ von weitem an. Natürlich behauptet Gwen, dass ihre Tochter viel schöner sei als James‘ erste Tochter, die immer alles hatte. Die beiden Mädchen unterscheiden sich in vielem. Hat Dana schönes volles Haar, so ist das von Chaurisse dünn und unansehnlich, ist Dana sehr selbstbewusst, so ist Chaurisse eher verhalten und ruhig. Das soll sich jedoch ändern als Chaurisse Dana kennenlernt, ohne zu ahnen, dass sie ihre Halbschwester ist. Beide laufen sich über den Weg, als Dana in der Drogerie versucht, etwas zu klauen.
Jeweils aus der Perspektive von Dana, die ihr Leben ohne einen richtigen Vater als Demütigung empfunden hat, im ersten Teil des Buches und im zweiten dann aus der Sicht von Chaurisse erzählt Tayari Jones ihre Familiengeschichte. James hat es sich mit seinen zwei Frauen und den zwei Töchtern bequem gemacht. Doch als Dana in die Pubertät kommt, kann sie den ängstlichen Vater nicht mehr ernst nehmen, auch wenn sie ihn auf ihre Weise liebt.
„Mein Vater war schließlich kein Monster, aber er hatte immerhin noch ein Heim, in das er zurückkehren konnte, und eine Frau, die ihm Abendessen machte.“
Neugierig auf das Leben der anderen Familie kann sie sich einfach nicht mehr zurückhalten und tritt so einen Stein los, der das ganze schöne doppelte Familienleben zum Einsturz bringt und James‘ Lebenslüge auffliegen lässt.
Die amerikanische Autorin Tayari Jones findet sehr eindringliche Bilder, um das Leben und den Aufstiegswillen der beiden schwarzen Familien zwischen 1968 bis Ende der 1990er Jahre zu beschreiben. Erhobenen Hauptes können die beiden Frauen Gwen und Laverne eigentlich James gegenübertreten. Nur Gwen wird sich der Wahrheit stellen und wie Dana ein selbstbestimmtes Leben führen.