J. W. Ironmonger: Das zufällige Leben der Azalea Lewis, Aus dem Englischen von Franca Fritz und Heinrich Koop, script5, Loewe Verlag, Bindlach 2015, 430 Seiten, €18,95, 978-3-7855-8332-6
„Es gibt keinen Gott. Oder möglicherweise ja doch. Niemand pfuscht an unserem Leben herum. Niemand zieht im Hintergrund die Fäden. Oder möglicherweise ja doch. Zufälle geschehen. Wünsche gehen in Erfüllung. Oder möglicherweise auch nicht. Er wird jedenfalls nichts beweisen.“
Zu dieser Erkenntnis gelangt Dr. Thomas Post von der Londoner Universität. Sein Gebiet ist die Philosophie und die Berechnung der Zufälle. Eines Tages ruft ihn eine Frau, Azalea Lewis, an und will mit ihm über seine Spezialgebiet sprechen. Sie ahnt nicht, dass er diese rothaarige, ja fast geheimnisvoll wirkenden Frau eigentlich schon gesucht hat, denn beide waren in einen Unfall verwickelt. Sie hat sich eine Rippe gebrochen und er seinen Arm.
Nun erzählt sie ihm ihre Lebensgeschichte, die von unglaublichen Zufällen bestimmt ist oder doch nicht? Alles beginnt im Jahre 1982. Ein dreijähriges, rothaariges Mädchen mit einer Narbe im Gesicht wird auf einem Rummelplatz in Devon gefunden. Ihre Mutter ist spurlos verschwunden und das Kind sagt, sie seien auf dem Weg zum Vater unterwegs gewesen. Sie weiß nur ihren Namen, Azalea Yves. Offensichtlich wurde das Kind ausgesetzt und wird nun einer Pflegefamilie übergeben. Ein Jahr später findet die Polizei eine Leiche unweit des Rummelplatzes. Es ist die Mutter von Azalea, die offensichtlich von einem geständigen Täter, Carl Morse, vergewaltigt und getötet wurde. Diese Nachricht erfährt Azalea allerdings erst sehr spät, denn sie ist mit ihren Adoptiveltern, den Folleys, die Lehrer und Missionare sind, nach Uganda gereist.
Zeitlich wechselt die Handlung zwischen Gegenwart und Vergangenheit hin und her und der Leser setzt sich den Lebenslauf der Azalea wie ein Puzzle zusammen.
Azaleas Mutter, Marion, lebte in einem kleinen Dorf auf der Isle of Man und wusste als sie schwanger wurde nicht, wer von den drei Männern, mit denen sie verkehrte, nun der Vater ihres Kindes sein könnte. Sie lässt die Möwen entscheiden, wie sie ihr Leben weiterführen wird. Der Brotkrumen, der symbolisierte, dass Marion ihr Kind, so wie ihre Mutter es tat, allein erziehen wird, wurde zuerst aufgepickt.
Der Pfarrer, der Azalea später im Taufbecken fallen lassen wird, daher die Narbe im Gesicht, ist empört über Marions Verhalten. Seltsamerweise wird, wieder per Zufall, Azalea zwei ihrer Väter unter ungewöhnlichen Umständen treffen. Beide Väter können dem Kind, das ihres sein könnte, einiges aus seiner Vergangenheit erzählen.
Dramatisch jedoch wird es als in Uganda die Mission der Folleys von Kindersoldaten und dem berüchtigten Joseph Kony überfallen wird. Die Waisenkinder werden entführt und wie durch ein Wunder kann Azalea gerettet werden. Sie glaubt, ihre Eltern wurden von den Fremden getötet.
Scheinbare Zufälle bestimmen Azaleas Leben und auch sie denkt, dass sie nach dem Muster der Geschehnisse nicht mehr lang zu leben hat.
Thomas, der sich alles angehört hat, verliebt sich in Azalea, aber sie verlässt ihn, denn sie geht zurück nach Uganda.
Dass Thomas, trotz seiner Berechnungen und auch Azalea, so einiges übersehen haben, darauf stößt den jungen Akademiker seine alte Mitstreiterin Clementine. Sie zerpflückt alle Aussagen akribisch und weißt nach, dass so einiges in dem Geschichtenaufbau nicht stimmen kann.
Spannungsvoll, unterhaltsam und handlungsreich ist dieser Roman von J.W. Ironmonger. Allein schon der dramatische Beginn der Geschichte zieht den Leser automatisch in die Handlung voller Schicksalsschläge und doch auch Zufälle hinein und fesselt ihn bis zur letzten Seite.
Ob man nun an die Berechnungen der Zufälle glaubt oder nicht, ein Urteil muss man sich selbst bilden.
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