Linn Ullmann: Das Verschwiegene, Aus dem Norwegischen von Ina Kronenberger, Luchterhand Literaturverlag, München 2013, 352 Seiten, €19,99, 978-3-630-87409-8

„So lebten sie, schmerzhaft ineinander verwoben.“

Ein Reihenhaus in Oslo, ein Sommerhaus in Mailund, ein viel zu hoher Bankkredit – Familie Dreyer kommt immer irgendwie ganz gut zurecht. Siri arbeitet als ihre eigene Restaurantchefin, Jon ist Schriftsteller und die Kinder Alma und Liv gedeihen. Auch wenn Jon nach zwei erfolgreich veröffentlichten Büchern nun den dritten Band, trotz Verlagsvorschuss, einfach nicht schreiben kann, vergehen die Monate und die Deadline verschiebt sich.

Über Siris Kindheit und damit wird der Leser schnell konfrontiert, schwebt der Tod des vierjährigen Bruders Syver, auf den Siri in der sogenannten \“Draußenzeit\“ aufpassen sollte. Syver ist ertrunken. Die Mutter, Jenny Brodal, begräbt ihren Kummer im Alkohol und tobt sich in extremen Stimmungsschwankungen aus, die ihre Tochter ertragen muss. Der Vater verlässt die Familie und gründet eine neue.

Während der Sommerzeit soll Mille, ein 19-jähriges Mädchen, sich um die vierjährige Liv kümmern. Alma ist mit ihren 12 Jahren zu alt für einen Babysitter. Milles Anwesenheit, ihre langen schwarzen Haare, die im Haus überall herumfliegen, erregen in Siri Unbehagen, ja Eifersucht. Jon verbringt die meiste Zeit in seinem Zimmer, um zu schreiben. Aber er bleibt bei seinen Notizen stecken, die um wahre oder unwahre Begebenheiten kreisen.

Aus verschiedenen Perspektiven erzählt Linn Ullmann von dieser Familie, sie berichtet von Lügen, die erzählt werden, von Untreue und Schuldgefühlen. Siri, Jon, Mille, Jenny und Alma schauen auf das, was geschieht.

Alles beginnt mit einem Schatz, den drei Jungen suchen. Sie finden ihn nicht, aber dafür nach zwei Jahren die Überreste einer Leiche, Milles Leiche. Mille verschwindet an dem Tag, an dem Siri gegen ihren Willen den 75. Geburtstag ihrer Mutter mit einem große Fest feiert. Dabei hätte sie viel lieber einen Spaziergang mit Alma unternommen. Siri und Jon fühlen, dass sie mehr hätten tun müssen nach dem Verschwinden der jungen Frau. Nie haben sie mit den Eltern von Mille gesprochen, sogar die Beerdigung ignoriert.

Alma entwickelt sich zu einem wütenden Teenager, der sich Gott zuwendet, lügt und auf der Suche nach sich selbst, sich und andere demütigt. Alma sieht sich in Konkurrenz zu Mille, die Jon Avancen macht. Er ist nie abgeneigt gegen weiblichen Charme, hat eine Geliebte, eine Freundin der Familie und sucht auch weiterhin nach sexuellen Abenteuern.

Nach und nach rekonstruiert die Geschichte die Tage vor Milles Verschwinden. Ineinander verwoben sind alle Familienmitglieder und spüren doch trotz nichtssagender Bekundungen, wie weit sie durch ihr Schweigen voneinander entfernt sind.