Amy Hatvany: Das Licht zwischen den Wolken, Aus dem Amerikanischen von Alexandra Kranefeld, Blanvalet Verlag, München 2017, 508 Seiten, €19,99, 978-3-7645-0609-4
„Sie stellte sich vor, wie die beiden zusammensaßen und plauderten, sich bestens verstanden und die arme Brooke bedauerten, die jetzt leider, leider nicht dabei sein konnte, weil sie einfach viel zu verkorkst war, um ihnen beiden zu vergeben.“
Jennifer ist mit ihren zwanzig Jahren völlig verloren. Sie campiert in einem Auto, traut sich nicht zurück zu ihrer Mutter und muss ein Kleinkind und ein Baby versorgen. Der Alptraum. Niemand hilft dieser jungen Frau, die mit allem total überfordert ist. Als sie ihren Michael kennenlernte, war alles wunderbar. Doch kaum war das Kind auf der Welt, begannen die Probleme. Er setzte sie vor die Tür, ohne Arbeit, ohne Ausbildung, ohne Geld. Jennifer prostituiert sich für Lebensmittel und Kleidung für die Kinder und sie bedient sich einfach im Supermarkt. Doch dann eines Tages, Brooke ist vier Jahre alt, Natalie sechs Monate endet die Odyssee der kleinen Familie. Jennifer muss wegen Bagatelldelikten ins Gefängnis. Was wird aus den Mädchen? Jennifers Mutter lehnt jegliche Verantwortung für ihre Enkelinnen ab, sie weist sogar der Tochter nach der Haft die Tür. Eine Sozialarbeiterin rät der jungen, verängstigten Frau, die Kinder zur Adoption freizugeben. In ihrer Verzweiflung und Hilflosigkeit, ihre Mädchen einfach nicht versorgen zu können, stimmt sie einer anonymen Adoption zu.
Aus drei Perspektiven erzählt Amy Hatvany ihren Roman. Jennifer betrachtet das zeitlich gestaffelte Geschehen aus der Ich-Perspektive, Brookes und Natalies Geschichte wird aus der Er-Perspektive geschildert. Fünfunddreißig Jahre später lernt die Leserin dann Natalies Leben kennen. Sie wurde von liebenden Eltern aufgenommen, hat selbst geheiratet und hat zwei Kinder. Brooke dagegen musste ihre gesamte Kindheit im ständigen Wechsel von Pflegeeltern und Heimaufenthalten aushalten und kellnert nun. Sie hat sich auf einen verheirateten Mann eingelassen und ist schwanger. Zuerst möchte sie eine Abtreibung, doch dann wird klar, dass sie mit ihren neununddreißig Jahren vielleicht eine letzte Chance hat, alles besser zu machen.
Brooke hat minimale Erinnerungen an die Mutter, von der sie immer hoffte, dass sie sie eines Tages aus dem Heim abholen wird. Sie weiß auch, das sie eine Schwester hat, im Gegensatz zu Natalie. Als Natalies Tochter einen Stammbaum zeichnen soll, erfährt Natalie, die Mutter ist kaum bereit über die Vergangenheit zu sprechen, dass sie kein Einzelkind ist. Ein Schock.
Amy Hatvany erzählt nun ausführlich, wie die Schwestern sich finden und welche Spannungen sich innerhalb der Familie breit machen. In kurzen Rückblenden läuft vor dem inneren Auge von Brooke ihre Kinderzeit ab. Auch Jennifer erzählt von ihrem weiteren Leben, dass sie erneut im Gefängnis verbringen muss. Aus Sehnsucht nach ihren Mädchen hat sie ein Kind entführt und verletzt. In der Haft jedoch lernt Jennifer einen Beruf, sie bewährt sich und kann vorzeitig mit einer klaren Perspektive entlassen werden.
Beim ersten Besuch von Brooke bei Natalies Familie spürt sie die Ablehnung von Natalies Mann. Sie kann das Gefühl einfach nicht verdrängen, dass sie als „Heimkind“ negativ betrachtet wird und vor allem, dass sie selbst niemandem vertrauen kann.
Brooke will auf keinen Fall die leibliche Mutter suchen, Natalie ist milder gestimmt und möchte gern aus ihrem Mund hören, warum sie ihre Kinder weggegeben hat. Bevor es jedoch dazu kommt, eskaliert die Handlung und Brooke und Natalie müssen sich neu finden.
Sehr konventionell, aber berührend erzählt die amerikanische Autorin vom unendlichen Schmerz einer jungen Mutter, die ohne Unterstützung für sich keinen Ausweg sieht und ihre Kinder in dem guten Glauben verlässt, andere könnten besser für sie sorgen. Durch die Zeitsprünge gewinnt die Geschichte an Dynamik und tröstet etwas über die eindimensional gezeichneten Figuren hinweg. Die Widersprüchlichkeiten, die eine Person nun mal ausmacht, vermag Amy Hatvany in diesem Roman nicht darzustellen. Die negativ gezeichneten Frauenfiguren sind nur bösartig, die guten einfach nur verständnisvoll. Und so verzichtet sie zum Glück auf ein Happy End und lässt die Geschichte offen.
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