Anita Shreve: Das erste Jahr ihrer Ehe, Aus dem Amerikanischen von Mechthild Sandberg, Piper Verlag, München 2011, 367 Seiten, €19,99, 978-3-492-05404-1
„Seit ihrer Ankunft in Kenia war sie bestohlen und ausgeraubt worden, hatte den Tod eines Menschen verschuldet, war vor einem tödlichen Schlangenbiss gerettet worden, war einer Liebe begegnet, die vorüber war, bevor sie begonnen hatte, und hatte ein Kind verloren.“
Margaret und Patrick sind seit gut fünf Monaten verheiratet und haben beschlossen für Patricks berufliche Karriere als Tropenmediziner, drei Jahre in Kenia, genauer gesagt in Nairobi, zu leben. Die amerikanische Autorin Anita Shreve weiß, wovon sie schreibt, denn sie selbst hat drei Jahre in Kenia gelebt und dort als Journalistin gearbeitet.
Margaret, ihre Hauptfigur, aus deren Sicht der Leser die Handlung verfolgt, ist Fotojournalistin und langweilt sich in dem fremden Land, in dem Ausländer nicht so gern gesehen werden. Es ist das Jahr 1977.
Durch Zufall landet das amerikanische Ehepaar bei einem britischen Paar, Arthur und Diana. Sie vermieten den beiden ein Cottage. Aus einer Laune heraus beschließen die vier gemeinsam mit dem holländischen Paar Saartje und Willem und mit Bergführern und Trägern, den Mount Kenya zu besteigen. Willem organisiert die Tour, denn er kennt die Tücken des beschwerlichen Aufstiegs.
Doch seit Antritt des Abenteuers ist die Stimmung zwischen den Paaren nicht sehr harmonisch. Diana nervt mit ihrem maßlosen Ehrgeiz und ihrem Dünkel, die Holländer mit ihrer Besserwisserei und Großmannssucht. Margaret fühlt sich unwohl, zumal Arthur, der ihr nicht mal sympathisch ist, ab und zu mit ihr flirtet und sich um sie kümmern will. Diana registriert diese Annäherungen wortlos.
Die Tour beginnt unter schlechten Vorzeichen, denn das Wetter verspricht keine gute Aussicht. Es gibt Spannungen, denn Margaret ist nicht fit, verlangsamt den Aufstieg und reizt sogar Patrick. Bevor sie den Gletscher, eine besonders schwierige Passage, ersteigen, ermahnt Diana Margaret die Gruppe nicht aufzuhalten. Angeseilt beginnt der komplizierte Weg über den Gletscher, doch Diana passt das schleppende Tempo nicht. Sie löst sich aus der Gruppe, um rascher zu sein und stürzt in den Tod.
Dieser tragische Unfall, Margaret kann sich Dianas tödlich endende Eigenmächtigkeit nicht verzeihen, wirft nachhaltig Schatten auf das normale Zusammenleben von Margaret und Patrick. Auch Patrick vermittelt Margaret das Gefühl, einen Anteil Schuld am Geschehenen zu tragen.
Kaum der Rede wert scheint dem Leser heute diese harmlose Plänkelei von Arthur und Margarets Ungeschicklichkeit, die Dianas Unwillen und Rage provoziert hatte.
Margaret entschließt sich für einen Schritt nach vorn und sucht sich eine Arbeit als Fotografin. Hier lernt sie den Reporter Rafiq kennen und verliebt sich in ihn.
Immer wieder um die Ehe und das alte Vertrauen kämpfend, spürt Margaret, dass nicht nur sie sich verändert hat. Das Land Kenia mit all seinen gesellschaftlichen Abgründen, Ungerechtigkeiten und kriminellen Energien, mehrmals werden die Eheleute bestohlen, erleichtert den beiden nicht den Weg zueinander.
nMargaret erhofft sich Vergebung, Versöhnung, aber auch Entlastung von den bohrenden Erinnerungen und weiß doch, dass dies unmöglich ist.
Unterhaltsam, detailreich und atmosphärisch dicht erzählt Anita Shreve ihre Beziehungsgeschichte und lotet doch ihre Charaktere nicht tiefgründig genug aus, konzentriert sich eher auf landesspezifische Eigenarten, die Rivalitäten zwischen den einzelnen Stämmen und gesellschaftlich-politische Befindlichkeiten.
Der Aufstieg, wie der Abstieg vom Berg scheint fast symbolisch für die Unfähigkeit des jungen Ehepaares zu stehen, in wahren Konfliktsituationen, auch noch in einem fremden Land, sich gegenseitig beizustehen. Patrick wird es erkennen, aber zu einem Zeitpunkt, wo es vielleicht schon viel zu spät ist.
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