Annette Pehnt: Brennnesselsommer, Carlsen Verlag, Hamburg 2012, 125 Seiten, €7,50, 978-3-551-55588-5
„Nicht jeder muss so leben wie Fränzi, aber auch nicht jeder muss so leben wie ihre Eltern.“
Als neben Anjas und Flitzis Wohnhaus im Städtchen Lauterbach ein riesiger Laster hält und eine junge Frau nebst drei Hunden hinausspringt, verändert sich so einiges für die Mädchen.
Fränzi, die junge Frau mit den langen Dreadlocks, zieht in die alte Bruchbude nebenan. Sie ackert wie eine Wilde, räumt den Müll fort und rodet Brennnesseln, um aus dem Haus ein Heim, den Gnadenhof, für sich und ihre Tiere aufzubauen. Sie ist eine seltsame Erwachsene, finden die Mädchen, denn sie sagt immer, was sie denkt, ohne Rücksicht. Wenn sie keine Antwort weiß, dann redet sie eben nicht. Sie hat keinen Fernseher, keine Möbel und offenbar wenig Geld. Aber sie backt prima Waffeln.
Und Fränzi organisiert sich ihre Tiere. Anfänglich sind sich die Mädchen nicht klar darüber, ob Fränzi die kranken Tiere klaut oder rettet. Nach einer Weile verbringen die Geschwister immer mehr Zeit mit Fränzi und den Hunden, Hühnern, Kaninchen und Ziegen als bei sich zu Hause. Und die lockere Fränzi legt wenig Wert auf die Regeln, die für Anja und Flitzi bei Papa und Mama so wichtig sind. Als Fränzi ihr Haus maisgelb anstreicht, denken die Mädchen, dass ihre graue Schule auch einen bunten Anstrich vertragen könnte. Mit Fränzis Hilfe hinter dem Rücken der Eltern streichen die Kinder mit Freunden die Schulwand an. Fragt sich, ob sie ihr Werk signieren? Und sie trauen sich. Aber dann bekommt Flitzi doch Angst und erzählt alles den Eltern. Sie finden es gar nicht so schrecklich und allen fällt ein Stein vom Herzen.
Als Fränzi dann aber eine Genehmigung für ihr Tierheim, was es ja gar nicht ist, liefern soll, organisiert sie eine Demo mit ihren unkonventionellen Freunden. Jemand hat sie angezeigt. Jetzt geraten die Mädchen in einen Gewissenskonflikt. Sollen sie nun mit durch die Straßen ziehen oder nicht? Flitzi soll die Eltern, die Fränzis Freunde nicht gerade nett als Hippies bezeichnet haben, fragen. Doch ohne lang zu warten geht Anja einfach mit. Nach diesem Tag, immerhin hat die Polizei die Demo aufgelöst, herrscht in Anjas Familie eine seltsame Stimmung gegen Fränzi. Anja bedrückt das sehr. Sie beschließt für sich, dass sie zu Fränzi umziehen möchte, denn sie glaubt, dass Fränzi trotz Tiergemeinschaft einsam ist. Anja möchte gern mit den Tieren leben, helfen. Sie hofft, dass die Eltern mit ihrer Fußmatte am Eingang, den Zierbeeten und Servietten neben dem Teller auch allein glücklich werden. Fränzi jedoch ist klug. Sie schlägt vor, dass Anja ja erstmal eine Nacht im Schlafsack bei ihr übernachten könnte. Anjas lebenserfahrene Mutter gibt den Weg frei und Anja schläft die anderen Nächte wieder zu Hause.
Dann geschieht ein gemeiner, brutaler Überfall auf Fränzi, die geschundene Pferde retten wollte. Und es stellt sich heraus, dass jemand das Pachtland von Fränzi kaufen will.
Annette Pehnt hat einen feinfühlig geschriebenen Roman über die Erfahrungswelten von Kindern vorgelegt. Sie lernen Neues kennen und vergleichen zwischen dem Vertrauten und einer anderen Lebensform. Anja stellt sich vor, dass sie Fränzis Tochter wäre und nicht in die Schule müsste. Gleichzeitig sieht sie, wie viel Raum ihr die Mutter zugesteht, damit sie sich ihre eigenen Gedanken machen kann. Die Träumerin Fränzi stößt dann auf die reale Welt und die kann sehr unangenehm werden, denn irgendwie lebt die junge Frau doch irgendwie hinter dem Mond.
Leider endet der Kinderroman seltsam abrupt. Der versöhnliche Ausgang mag beruhigen, aber er sorgt für Irritationen bei jungen Lesern.
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