Gabrielle Zevin: Bitterzart, Aus dem Amerikanischen von Andrea Fischer, FJB, S. Fischer Verlag, Frankfurt a.M. 2013, 540 Seiten, €16,99, 978-3-8414-2130-2

„Kurz bevor mein Vater ermordet wurde, musste ich ihm schwören, dass ich für meinen Bruder sorgen würde, sollte Daddy jemals etwas zustoßen.“

2083, New York: Die 16-jährige Anya Balanchine übernimmt, obwohl ihr Bruder Leo drei Jahre älter ist als sie, nach den Ermordungen des Vaters und der Mutter die Führung in ihrer Kleinfamilie. Leo ist nach einem Autounfall in seinen Denkleistungen gehandicapt. Natti, die Kleinste in der Familie und neun Jahre alt, gehört wie die sehr kranke, leicht demente Großmutter ebenfalls zur Familie.
Die Balanchines sind eine berüchtigte russische Mafia-Familie, die vor allem mit Schokolade und anderen Genussmitteln illegal Handel treibt und sich gegen andere Clans zur Wehr setzt. Anya kennt die Vergangenheit ihres Vaters, sie weiß, dass er der Boss war und nur aus diesem Grund sterben musste. Sie versucht nun, ihre kleine Familie vor der Übermacht des Kartells zu schützen.

Die Welt, die die amerikanische Autorin Gabrielle Zevin schildert, ist eine äußerst kriminelle, in der bereits Kinder andere Kinder mit zum Glück nicht immer geladenen Pistolen bedrohen, um Sachen abzuziehen. Durch das Vermögen, das der Vater hinterlassen hat, ist Anyas Familie abgesichert. Immer noch verfügen sie über Vorräte an Schokolade. Kaffee trinken ist Luxus, vieles gibt es auf Gutscheine und Papier ist Mangelware.
Seit gut 10 Jahren werden keine Textilien mehr hergestellt. Anya trägt somit die Kleider ihrer Mutter.
Als Oberhaupt der Familie steht Anya unter hohem Druck. Alles unter Kontrolle zu halten, ist keine leichte Aufgabe, zumal sie sich offensichtlich auch noch die falschen Freunde aussucht.
Als Anyas Ex-Freund Gable durch die Schokolade, die ihr ein Familienmitglied geschenkt hat, vergiftet wird, gerät das Mädchen unter Verdacht. Sie landet in der Jugendstrafanstalt, kann aber nach einigen, qualvollen Tagen das Gefängnis verlassen, da sich Wins Vater, der neue stellvertretende Staatsanwalt, für sie stark macht. Nicht nur Gable wurde vergiftet, es gab hunderte Fälle.
Win ist ein neuer Mitschüler, den sich eigentlich Scarlett, Anyas beste Freundin schnappen wollte. Aber Win hat mehr Sympathien für Anya, was seinem Vater sehr missfällt.
Win und Anya werden gegen alle Widerstände ein Paar und doch soll die Beziehung nicht halten.

Da dieser Band der Auftakt für einen Mehrteiler ist, bleiben viele Handlungsstränge nur angerissen. Richtig Fahrt nimmt die Geschichte, als Genremix aus Dystopie, Liebesroman und Krimi auch nicht auf, sie plätschert eher so vor sich hin. Darüber, wie sich die Welt in der Zukunft verändert hat, wird nicht lang fabuliert und so ist es kaum vorstellbar, dass die Menschen keine Kleidung mehr produzieren. Gabrielle Zevin stellt die veränderten Tatsachen in den Raum, erörtert vieles aber nicht. Anya, die mehrmals mit dem schönen, wie liebevollen russischen Wort Dewuschka bezeichnet wird, beeindruckt im Laufe der Handlung als starker Charakter. Brutale Szenen, immerhin wurde ihr Vater in ihrem Beisein ermordet, musste das Kind ertragen und so reagiert der Teenager durch all diese Erfahrungen auf vieles sehr nachdenklich und erwachsen.
Die Parallele zur Zeit der Prohibition in den USA und den Mafiaclans bietet sich an, wird aber auch nur angedeutet.

Wäre, auch um zu erfahren, wie es mit Anya und ihrer Familie weitergeht, zu hoffen, dass der zweite Band, der für den Herbst angekündigt wurde, inhaltlich mehr zu bieten hat.