Donna Leon: Auf Treu und Glauben, Commissario Brunettis neunzehnter Fall, Aus dem Amerikanischen von Werner Schmitz, Diogenes Verlag, Zürich 2011, 320 Seiten, €22,90, 978-3-257-06776-7
„Wir bringen Jahrhunderte hinter uns und lernen nichts.“
Die Sonne scheint gnadenlos auf Venedig und Commissario Brunetti und Ispettore Lorenzo Vianello schwitzen. Aber die Aussicht auf den Urlaub in kühlen Bergen oder Kroatien am Meer beschwichtigt die Gemüter. Zum Glück nehmen die Verbrecher in diesem Jahr scheinbar hitzefrei.
Nichts Großartiges passiert, nur Vianello macht sich Sorgen um seine Tante, die offensichtlich einem Scharlatan und seinen dubiosen Praktiken auf den Leim gegangen ist. Wie leichtgläubig Menschen an Horoskope glauben, sich die Karten legen lassen oder gar auf den Rat von professionellen Beratern für alle Lebenslagen zurückgreifen, ist für Brunetti ein Tuch mit sieben Siegeln. Vianellos Tante jedenfalls trägt einem offensichtlichen Betrüger das Geld auch noch ins Haus. Und dann hat Brunetti Besuch von Brusca, der ihm zeigen will, dass in bestimmten Gerichtsfällen die Verfahren bei der Richterin Coltellini beängstigend lang dauern, d.h. viele Jahre lang. Gerichtsdiener Araldo Fontana ist ebenfalls verwickelt, obwohl er als rechtschaffen gilt. Doch dann wird der tadellose Fontana ermordet im Hof seines Hauses aufgefunden. Brunetti und Vianello dürfen ihren Urlaub beenden und die Ermittlungen aufnehmen. Seltsam erscheint den Kommissaren, dass der tüchtige Staatsdiener in einer Wohnung in einem Palazzo lebt, die eigentlich für ihn kaum erschwinglich ist. Zurück lässt das 52-jährige Opfer eine dickliche, aber griesgrämige Mutter. Als Avoccato Penzo dann von seiner langjährigen Freundschaft zu Araldo erzählt und, aber das weiß die Polizei schon, seine Homosexualität erwähnt, eröffnen sich für die Motivsuche weitere Felder.
Wie immer prangert die amerikanische Schriftstellerin Donna Leon die korrupten Strukturen in ihrer Wahlheimat Venedig an, eine Hand wäscht die andere, soziale Missstände werden ausgenutzt, aber auch der gesellschaftliche Dünkel und der Massentourismus, der nochmal der Untergang der Stadt sein wird, bleiben aktuelle Grundthemen. Aber wie immer und da kann es noch so warm sein, genießt Brunetti kleine Leckereien, wie köstliche tramezzini.
Auch Donna Leon erfindet keine neuen menschlichen Tragödien, alles scheint ja irgendwie schon mal Stoff für Konflikte und Dramen gewesen zu sein und doch liest sich auch dieser Brunetti – Fall dank der leicht ironischen Erzählhaltung unterhaltsam und doch tiefgründig. Vielleicht beruhigt auch den Leser, dass sich trotz schweißtreibender Tage auch in der Lagunenstadt so schnell nichts ändern wird.
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