Adrienne Friedlaender: Mami ist die Beste! Meistens – Über das wilde und wunderbare Leben mit Jungs, Blanvalet Verlag, München 2023, 224 Seiten, €16,00, 978-3-7645-0785-5
„Noch immer kann es passieren, das ich auf ein ‚Ich bin so hungrig, Mami, wann machst du (!) Essen?‘ keineswegs antworte: ‚ Das Essen steht im Kochbuch auf Seite zwölf‘, sondern sofort aufspringe und an den Herd eile, weil ich mich für die Versorgung zuständig fühle.“
Vier Jungen, die nicht namentlich genannt werden, sondern Sohn Nummer eins bis vier heißen, stehen im Focus dieses witzigen und auch nachdenklich stimmenden lebensklugen Sachbuches. Adrienne Friedlaender lässt die Lesenden an ihrem reichen Erfahrungsschatz im Umgang mit schwer zu bändigenden Jungs teilhaben. Sie gibt nie Ratschläge, sondern berichtet von ihren mal gut verlaufenden und mal auch gescheiterten Erziehungsbemühungen. Auf ihren Hund Carlo dagegen kann sie sich immer verlassen, er folgt ihren Anweisungen und freut sich, wenn er gelobt wird. Bei den Söhnen läuft es im Alltag nicht so reibungslos. Die Väter der Jungen spielen keine Rolle und wenn sie mal erwähnt werden, dann nur in positiver Hinsicht, so nach dem Motto: Papi kann alles. Warum sich die Eltern mit Mami und Papi ansprechen lassen, gerade mit Jungen, bleibt allerdings ein Rätsel.
In locker geschriebenen Kapiteln, wie man es von Adrienne Friedlaender gewohnt ist, erzählt sie auch thematisch sortiert, von Beobachtungen und Lebenssituationen mit den Kindern. Auch wenn sich die Autorin beim letzten Kind ein Mädchen gewünscht hat, der Junge als Nesthäkchen ist mehr als willkommen. Wie alle Jungen redet er nicht gern, aber wenn er dann mal Lust hat, dann kommt am Abendbrottisch niemand mehr zu Wort. Das Schweigen und wortkarge Verhalten der Kinder belastet Adrienne Friedlaender sehr. Zu komisch jedoch ist ihre Reaktion auf die Erwartung der Söhne, dass sie als Mutter ja fragen könne, wenn sie etwas wissen wolle. Dass die Mutter nie Hellseherin sein kann und bereits im Voraus weiß, was abzufragen ist, insbesondere, wenn es um Veranstaltungen in der Schule geht, scheint allen klar zu sein, nur den Kindern nicht. Kritisch sieht die Autorin die Situation der Jungen in Kitas und Schulen. Wenn sie zu einem ersten Gespräch mit Lehrerin oder Direktorin gerufen wird, hat Sohn Nummer eins, zwei, drei oder vier aus ihrer Sicht nichts sonderlich Schreckliches angestellt.
„Im echten ( Schul-)Leben sind wilde Kerle leider eher unerwünscht. Und wir Eltern werden häufig gleich mit schräg angeschaut. So nach dem Motto: ‚ Du hast da einen Störenfried auf die Welt gebracht. Nun sieh mal zu, wie du das fehlerhafte Wesen unter Kontrolle bekommst.’“
Mit dieser Darstellung der Rolle der Jungen an Schulen spricht sie sicher vielen Eltern aus dem Herzen. Um nicht nur ihre eigenen Erfahrungen mit herrlichen O-Tönen ihrer Sprößlinge zu präsentieren, kommen auch Fachexperten zu Wort. Wie begegnet Schule dem Bewegungsdrang von Jungen? Nicht nur das Fußballspielen auf dem Schulhof kann da die Alternative sein. Beruhigend für Jungen-Eltern liest sich auch die Beschreibung des chaotischen Zustandes von Kinderzimmern und vor allem Schulranzen. Wie binde ich Jungen in den Haushalt mit all seinen Verpflichtungen ein, wenn ich auch noch berufstätig bin? Wer schleppt das Essen heran, wer kocht, wer wäscht, wer putzt…….? Wie verzweifelt die Autorin sich dieser Aufgabe mit Streiks und Kapitulationen gewidmet hat, erinnert sicher auch viele Eltern an eigene nervenaufreibende Aktionen. Gleiche Kämpfe spielen sich auf dem Gebiet der Gleichberechtigung ab. Gelernt hat die Autorin, dass keine ausschweifenden Erläuterungen und Begründungen die Jungen interessieren, sondern ganz klare, direkte wie unmissverständliche Ansagen. Danach kann es wirklich passieren, dass die Jungen diesen folgen, allerdings nicht immer. Eine Frage beschäftigt Adrienne Friedlaender ganz besonders. Wie betrachten Söhne ihre Mütter? Ist man die ständig gehetzte Hausfrau mit Nebenjob oder die starke, berufstätige in allen Lebensfragen umsichtige Mutter? Alte Rollenmuster erinnert die Autorin selbstkritisch, da sie glaubte, sie könne nur am Schreibtisch arbeiten, wenn die Kinder in der Kita oder Schule sind.
„Die Kinder soll(t)en nicht unter meiner Berufstätigkeit leiden. Das ist doch völlig verrückt, oder? Ich glaube nicht, dass die Väter der Söhne jemals in diese Richtung gedacht haben.“
Ängste um die Söhne, ob sie nun klein oder groß sind, bleiben, wobei die Verletzungen sich vielleicht später in Grenzen halten. Ein wichtiges Fazit all der Erinnerungen und Resümees ist, dass die Autorin erkannt hat, auch mit Hilfe der Experten, dass sie als Mutter nicht alles verstehen muss, z.B. warum die Söhne sich immer körperlich heftig begrüßen müssen, ständig sich Konkurrenz machen und sich allzu gern kloppen.
Wunderbare Lektüre für alle, die mit Jungen zusammenleben und sie am Ende auch loslassen müssen!