Annette John: Deadline 24, Beltz & Gelberg Verlag, Weinheim 2011, 375 Seiten, €16,95, 978-3-407-81081-6

„Dann haben die Monster den Spieß umgedreht und spielen nun mit uns. Wir sind nichts als Figuren in einem dämonischen Spiel.“

Nur noch wenige Menschen leben fast wie Gefangene unter vereinzelten riesigen Kuppelgittern in einer wüstenähnlichen Landschaft. Unsichtbare, fressgierige Hybriden bedrohen am Tag ihr Leben. Gorgonen, Spukvipern, Fresskäfer und Trugnebel lauern außerhalb der Käfige im Ödland. Jede noch so unbedeutende Nachlässigkeit kann unweigerlich zum Tod führen.
Die 14-jährige Sally Hayden arbeitet hart damit sie mit ihrer Familie, der Vater ist von einer Expedition ins Ödland nicht zurückgekehrt, am Leben bleibt. Sie haben Tiere, Wasser und genug fruchtbares Land, um sich zu ernähren. Per Funk können sie sich mit den Nachbarn unter den anderen Kuppen unterhalten. Und doch ist dieses isolierte Leben sehr einsam. Sallys Großvater erzählt gern von den Vorfahren und den Chroniken, in denen geschrieben steht, dass es früher Millionen von Menschen auf der Erde gegeben haben muss. Einige von ihnen leben unbehelligt in der Stadt Esperanza, die von den Mermaiden und ihrem Gesang beschützt werden. Doch unberechenbar ist die Herrschaft der Lords, die gnadenlos ihre Untertanen unterdrücken. Sogar eine Lebenssteuer muss errichtet werden. Doch was ist das für eine Welt, in die Sally und ihr Bruder Paul hineingeboren wurden? Es scheint so als würden die Menschen, vieles von dieser alten, hochtechnisierten Welt der Vorfahren nutzen ohne zu ahnen, was sie wirklich vor sich haben. Angelina, Sallys Mutter, ist durch die Attacke einer Spukviper erblindet, doch sie hat Visionen, die immer von der rätselhaften Formel „Deadline 24“ eingeleitet werden. Als sie ein Flugobjekt sieht und von der Erlösung durch einen Windmann berichtet, nimmt die temporeich erzählte Handlung Fahrt auf.
Als dann ein seltsames Flugobjekt, ein Helikopter, die Hybriden an der Kuppel der Familie Hayden vertreibt, weiß Angelina, dass Hilfe naht. Gegen das Verbot des Großvaters schließt sich Paul, Sallys abenteuerlustiger älterer Bruder, der Helikopter-Crew unter Caleb an. Wie gefahrvoll dieser Flugapparat, der scheinbar ein Organismus ist, der sich mit den alten Maschinen, die noch existieren, verbinden kann, wird Paul schmerzlich am eigenen Leib erfahren. Die gewalttätigen Lords verfolgen den Helikopter und wollen ihn in ihren Besitz bringen. Sallys abenteuerliche Odyssee durch die zerstörte Wüsten- und Ruinenlandschaft beginnt, denn sie muss, damit die Familie überlebt, Paul um jeden Preis zurückholen.
Über einen langen Zeitraum lässt Annette John den Leser im Ungewissen, in welcher speziellen Zukunftswelt, in der nur noch archaische Unterscheidungen zwischen Gut und Böse gelten, die Figuren überhaupt agieren. Die Bezeichnung Explorer-Helden, die in den Chroniken erwähnt werden oder die so genannten Memoranden, die immer die Wahrheit sagen, lassen den versierten Computerspieler ahnen, wo er sich befindet. Klarheit ins mystische Dunkel bringt dann endlich Windmann, der sich als verwandeltes Virusprogramm des einst so ersehnten Computerspiels Deadline 24 zu erkennen gibt. Das gefährliche Spiel hatte in einer von technischem Fortschritt berauschten Gesellschaft, so um 2124, genau weiß man es nicht, sein digitales Reich verlassen und in einer Welt, in der jeder mit jedem kommunizieren konnte, die Wirklichkeit übernommen. Millionen von Menschen fielen dem Spiel zum Opfer. Nun müssen die Überlebenden von Level zu Level nach dem Bauplan des Spiels um ihre Existenz kämpfen und sie sind der realen Gewalt ausgeliefert, die sie sonst am Computer schmerzfrei simuliert haben. Doch gleich, ob von Hybriden oder technischen Finessen erzählt wird, immer geht es Annette John um den Zusammenhalt in der Familie in einem verrohten Umfeld.
Wie in einem klassischen Abenteuerroman zieht die Heldin Sally aus, um, eine Nummer kleiner geht es nicht, die Welt zu retten. Im Laufe der hochspannenden Handlung vertraut das Mädchen immer mehr sich selbst, ihrem starken Willen und den Worten der Mutter. Einfallsreich, ohne bekannte Science -Fiction–Romane oder Comics auszuplündern, überrascht Annette John gerade durch ihre originelle Handlungsführung. Aus einem scheinbaren Fantasyplot entwickelt sie eine düstere Gesellschaftsgeschichte mit realistischen und fantastischen Mitteln, in der die vom Menschen kreierte künstliche Intelligenz eine bedrohliche Eigendynamik entwickelt.