Kerstin Gier: Silber, Das erste Buch der Träume, FJB, S.Fischer Verlag, Frankfurt a.M. 2013, 413 Seiten, €18,99, 978-3-8414-2105-0
„Ich hatte nicht nur ungewöhnlich klar geträumt, sondern auch von Orten, an denen ich noch nie gewesen war – und das Schlimmste war: Ich hatte es nicht allein geträumt. Und da genau lag die Schleiereule begraben….“
Wiedermal ist es soweit, Olivia Silber, 15 Jahre alt und ihre Kleinfamilie, die amerikanische Literaturprofessorinnen-Mutter, die zwei Jahre jüngere Schwester Mia, das bayerische Kindermädchen Lottie und Hündin Butter ziehen um.
Diesmal ist der hoffentlich dauerhafte Wohnort – ein gemütliches Cottage bei Oxford. Aber alles kommt ganz anders, denn Livs Mutter hat sich in Mr Spencer verliebt und der lebt in London. Ohne lange Zeit verstreichen zu lassen, beschließen die beiden Verliebten, eine Patchworkfamilie zu gründen. Mr Spencer ist Vater der 17-jährigen Zwillingen Florence und Grayson, die auf die gleiche Privatschule gehen wie Olivia und ihre Schwester. Grayson ist der Neuzugang in puncto Familie relativ egal, Florence dagegen ist kaum bereit ein Stück ihrer Privatsphäre abzugeben.
Kein guter Start.
Viel seltsamer jedoch ist, dass Liv seit sie den Pullover von Grayson geborgt hat, so seltsame Träume durchlebt. Als könnte sie in Graysons Traumbilder eintauchen und ihn und seine angesagte Schulclique mit Arthur, Henry und Jasper beobachten.
Jeder Mensch träumt hinter seiner eigenen Tür, die kann er versiegeln oder sogar offen lassen. Grayson träumt, wie so viele Menschen, vom Versagen. Liv träumt davon, dass sie mit dem geheimnisvollen Henry Händchen hält.
Geheimnisse und Rätsel – davon ist nicht nur Liv fasziniert, auch Mia will unbedingt herausbekommen, wer hinter dem Tittel-Tattle-Blog der Schule steckt und Tratsch und miesen Klatsch verbreitet.
Jedenfalls gerät Liv in die Fänge der angesagten Jungenclique und erfährt von Anabel, der Freundin von Arthur, eigentlich ist sie in der Schweiz, dass die Jungen an Halloween im Traum einen Dämon beschworen haben und dieser nun der Herrscher ihrer Träume ist. Jeder hat einen Wunsch frei und muss ein Pfand hinterlegen.
Da Anabel als Jungfrau ausfällt, muss eine andere gefunden werden, die künftig einsteigt: Liv.
Grayson will seine Stiefschwester warnen, aber da ist es schon längst zu spät. Zwischen Neugier und Lachanfall schwankend lässt sich Liv auf die Rituale ein, die mit einer Dämonenbeschwörung einhergehen. \r\nAußerdem winkt da ja noch der Herbstball, zu dem Liv seltsamerweise Henry eingeladen hat.
Die erfolgreiche Autorin Kerstin Gier vermischt wieder alle Ingredienzien, die zu einem spannenden Liebesgeschichte dazu gehören: eine piekfeine englische Schule, wohlhabende Eltern, aufregende, attraktive, engelsgleiche, sportliche Jungen, Zicken als Mitschülerinnen oder künftige Stiefschwester, undurchsichtiger Dämonenzauber und vor allem lebendig steuerbare Träume, die vieles offenbaren und auch verschleiern. Ihr unterhaltsamer Erzählton und die komisch trockenen Gedankengänge ihrer selbstbewussten Ich-Erzählerin Liv, die sich nicht so schnell in die romantische, rosa Ecke zerren lässt, machen es der Leserin sehr einfach sich auf diese Fantasygeschichte und Livs lockere Kommentare einzulassen.
„, … und deinen Hund ermordet\‘, vervollständigte ich den Satz. Und das alles nur, weil sie keine Jungfrau mehr war? Das erschien mir eine wirklich strenge Reaktion. Seit wann waren Dämonen katholisch?“
Zeitweilig könnte man glauben, Kerstin Gier amüsiert sich in ihrer Geschichte über das Genre, das sie nach ihrer Edelstein-Trilogie nun nicht als Zeitreise – Roman wiederbelebt, sondern als imaginäre Verbindung zwischen Realem, Geisterwahn und Traumerlebnissen.
Aber so weit traut sie sich dann doch nicht, denn zu verworren sind zu Beginn noch die Erzählstränge, die sich ja im Laufe der kommenden Bände entwirren müssen.
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