Robert Galbraith: Der Tote mit dem Silberzeichen, Aus dem Englischen von Wulf Bergner, Christoph Göhler, Kristof Kurz, Blanvalet Verlag, München 2025, 1248 Seiten, €32,00, 978-3-7645-0959-0

„’Wieso musste die Tat in dem Tresorraum verübt werden?‘, fragte Strike stirnrunzeln. ‚Ja, wieder zurück auf Anfang.’“

Wenn nicht schon vorher, aber spätestens auf Seite 948 könnten Hardcorefans der J.K.Rowling Krimis bei dieser erschütternden Feststellung des erfolgreichen wie auch umstrittenen Privatdetektivs Cormoran Strike endgültig die Geduld verlieren. Wer noch alle Personen im Blick hat, die in dieser Handlung wie vom Erdboden verschluckt sind, gesucht, verfolgt, befragt und observiert werden, muss ein phänomenales Gedächtnis haben. Nicht mal Strike kann sich
auf Seite 969 erinnern.

„’Ich habe noch eine bessere Nachricht‘, sagte Robin. ‚Hugo Whiteheads Vater hat angerufen.‘
‚Wer ist das gleich wieder?’“

Fehlt für begriffsstutzige Lesende leider das Personenverzeichnis, so hat wenigstens Strikes engagierte wie clevere Partnerin Robin Ellacott den absoluten Überblick und vergisst auch nie, im Gegensatz zu Strike die entscheidenden Fragen zu stellen. Ihm sitzt wiedermal die Presse im Nacken und dann muss er auch noch einen Vaterschaftstest überstehen und zum Ende wird dem körperlich so geplagten Strike auch noch beinahe ein Ohr abgerissen. Kurzum, der neue Roman umkreist nicht nur den zentralen Fall, sondern auch wie immer das Privatleben von Robin und Strike, deren konfliktreiches Leben mit anderen Partnern, obwohl sie sich auch in dieser ausufernden Handlung in uneingestandener Liebe zueinander hingezogen fühlen, und die aktuelle wie aufwendige Arbeit der Agentur.
Cormorane Strike jedenfalls trifft sich mit Decima Mullins in Kent. Hier hat sich die bekannte Köchin, die ein Edelrestaurant in London betreibt, mit ihrem Baby vor ihren Verwandten versteckt. Niemand soll von ihrem Kind erfahren, dessen Vater, Rupert Fleetwood, angeblich einem Verbrechen zum Opfer gefallen ist. Beim unseriösen Londoner Antiquitätenhändler Kenneth Ramsay, der auf wertvolle Silberstücke der Freimaurer spezialisiert ist, wurde im Tresor eine völlig verstümmelte und entstellte männliche Leiche entdeckt. Rupert, dem ein Drogenhändler im Nacken sitzt, hatte seiner eigenen lieblosen Familie aus der Oberschicht, die ausgerechnet mit Strike gut bekannt ist, ein wertvolles niederländisches Silberschiff aus dem 17. Jahrhundert gestohlen und dem Händler übergeben. Decima glaubt, dass sich Rupert unter dem Namen William Wright bei dem Händler hat anstellen lassen und nun bei einem Einbruch von Komplizen ermordet wurde. Allerdings glaubt die Polizei, dass der Tote ein bekannter Kleinkrimineller namens Jason Knowles ist und hat nun jegliches Interesse an dem Fall verloren, zumal ein diensthabender Beamter auch noch ein Freimaurer ist. Decima ist tief davon überzeugt, dass der Tote Rupert ist. Und nur das, will sie von Strike hören. So der Auftrag. Nachdem Ruperts Umfeld befragt wurde, wissen alle ganz genau, dass sich der junge Mann nach New York abgesetzt hat. Alle belächeln die unattraktive Decima, die immerhin zwölf Jahre älter ist als ihr Liebhaber. Mit ihren Zweifeln nicht allein, denn die Polizei wie Strike ahnen, dass der Tote nicht Jason Knowles ist, recherchiert er mit Robin weiter, um herauszufinden, wer neben Rupert noch verschwunden ist und auf diese brutale Art hingerichtet wurde. Zwei Männer kommen in Frage und bei einem nimmt sogar ein Vertreter des MI5 Kontakt zur Agentur auf. Mehrmals wird Robin beim Observieren körperlich bedroht, denn offenbar steckt hinter der Geschichte rund um die Freimaurer, ihr Silber, Identitätsdiebstählen und verschwundenen jungen Frauen viel mehr als die Polizei vermutet.
Wie bei jedem Strike – Roman beschreibt J.K.Rowling akribisch genau alle Details ( Der Vorname Cormoran bezieht sich auf den legendären Riesen von Cornwall. Das musste endlich mal gesagt werden. ) und jede noch so unwichtige Hintergrundgeschichte ihres umfangreichen Personals. Die Autorin bezieht sich ausführlich auf Geschehnisse und Figuren aus den Vorgängerbänden und wenn J.K. Rowling auch für ihre Spannungsbögen bekannt ist, dann fehlt jeglicher dramaturgisch spannender Handlungsverlauf in diesem dicken Roman. Übel nehmen darf man ihr auf jeden Fall, dass Strike und Robin erneut nicht wissen, dass sie füreinander bestimmt sind. Aber das wird dann sicher im kommenden Band erneut ausgewalzt.
Weitere Besprechungen der Vorgängerbände rund um das Ermittlerpaar Cormoran Strike und Robin Ellacott: http://karinhahnrezensionen.com/lese24/?s=Galbraith